Sommerfrische in Schmachtenhagen

Brigitte Dietrich

Ich war ein kleines Schulmädel, als abends einmal ein ehemaliger Kollege meines Vaters zu Besuch kam. Er erzählte, dass er ja nun als Rentner den Sommer über mit seiner Frau draußen im Garten, in Schmachtenhagen, wohnen könnte. Er und seine Frau fanden Gefallen an mir und da ich blass und schmächtig war, luden sie mich ein, meine  Schulferien immer bei ihnen im Garten zu verbringen, die Landluft täte mir bestimmt gut.

So fuhr ich immer mit S-Bahn und Bus nach Schmachtenhagen. Dort wurde auch meine Liebe zum Garten geboren. Die Beete wurden ordentlich 1m x 2m angelegt. Zwischen den Beeten war ein harkenbreiter Weg. Es wurde  Mangold, Petersilie, Möhren, Erdbeeren, Tomaten angepflanzt. Alles für die Selbstversorgung.  Morgens durfte ich zum Konsum radeln und 2 Flaschen Milch holen. Jeden Tag fuhr ich mit dem Nachbarn per Radel zur Gärtnerei. Dort holten wir frischen Kopfsalat, einmal auch einen riesengroßen Blumenkohl. Die Pfeiffers, so hieß das Ehepaar, waren gute Leute, die herzlich alles teilten. Es gab Mittags einfache Gerichte, wie z.B. einen Teller Knorrnudelsuppe und extra Speckquetschkartoffeln, dazu Salat. Sonntags wurde hin und wieder eine Büchse Fleisch geöffnet. Auch gab es mal Sonntags zum Frühstück eine Butterstulle mit einem Stück abgeriebenen Kuchen drauf.  Das kannte ich von zu Hause nicht so, aber mir schmeckte einfach alles in Schmachtenhagen.

Dass es dort nur eine Eimertoilette gab, störte mich nicht, für die vorbereiteten Löcher zur Tomatenpflanzung erwies es sich sogar als gut.

Oft gingen wir auch in den Wald Pilze suchen, Blaubeeren und wenn wir Pferdeäppel fanden, nahmen wir die mit. In Wasser eingeweicht waren sie Dünger für die Erdbeeren. Die Ruhe, die Natur, die gute Luft und das gesunde Essen sorgten bei mir für eine gesunde Gesichtsfarbe und einige Kilos am Körper.

Frau Pfeiffer stammte aus Schlesien und ihr Bruder kam alle paar Jahre mal zu Besuch aus Katowice. Ich lernte ihn kennen und wir wurden Freunde. Er lud mich zu Besuch ein und so fuhr ich mit Gertrud Pfeiffer zu Leon nach Katowice.

Ich nahm Sachen mit, worüber sie sich alle freuten. Wir wurden jeden Tag dort bei einem anderen Familienmitglied eingeladen, sie tafelten auf, obwohl alle nicht gut gestellt waren. Es war prächtig zu erleben, wie gut Menschen sein können und wie eng der Zusammenhalt ist.

Die Jahre vergingen schnell. Einmal kamen auch meine Eltern mit meinem Bruder zu Besuch, dann schliefen alle in der Laube. Pfeiffers in den zwei Einzelbetten an der Wand und wir vier in der Mitte auf dem Fußboden. Rechts stand der Kohlekochherd. Strom gab es nicht. Auch Wasser musste gepumpt werden, zum Gießen durfte ich gerne viele Eimer Wasser pumpen.

Mich kannte man im Schmachtenhagen mit der Zeit gut, einige Male durfte ich mit Pfeiffers Bekannte zum Geburtstag besuchen. Ich hatte auch Freunde da gefunden, es war eben ein Dorf, jeder kannte jeden. Im Winter besuchte ich Pfeiffers in Ihrer Wohnung im Prenzelberg, nahm Kuchen mit, wir spielten Karten oder plauschten. Helfen im Haushalt oder Fensterputzen durfte ich nicht, da waren sie sehr eigen.

Die Jahre vergingen und da ich das Gartenleben liebte, sollte ich den Garten in Schmachtenhagen, wenn ich 18 bin, bekommen, oder besser gesagt: erwerben.

Leider kam es anders. Stefan Pfeiffer fand, dass ich allein es doch nicht schaffen würde, den Garten zu bewirtschaften und zu pflegen, und verkaufte ihn an seinen Trinkkumpel, für dessen Enkelsohn. Etwas später verstarb Stefan Pfeiffer. Ich kümmerte mich in der Folgezeit um seine Frau und half ihr, sich so gut wie möglich allein im Leben zurecht zu finden.

Diese beiden netten älteren Leute werde ich immer in guter Erinnerung behalten.