Kunst- und Kulturfestival Kunstkreuz 2014

Michaela Kirschning

Unter dem Motto „Einmischen – Mitmischen“ findet vom 10. bis 12. Oktober 2014 in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg erstmals das Kunst- und Kulturfestival Kunstkreuz statt. Hervorgegangen ist das dreitägige Cross-Over-Event aller Künste (Malerei, Bildhauerei, Tanz, Theater, Medien- und Konzeptkunst, Musik, Performance, etc.) aus der Langen Nacht der Bilder, die der Kulturring in Berlin e.V. 2008 ins Leben gerufen hat.

Kulturinteressierte werden sich vielleicht daran erinnern, dass es schon in den Jahren 2000 bis 2010 eine Veranstaltung namens Kunstkreuz gab. Dass sich der Kulturring in Berlin e.V. als Veranstalter dafür entschieden hat, bei diesem neuen Festivalformat auf den alten Namen zurückzugreifen, ist den räumlichen Gegebenheiten geschuldet, denn wo sich die Frankfurter Allee und der S-Bahn-Ring kreuzen, treffen nicht nur eine stark befahrene Berliner Hauptstraße mit einem viel frequentierten Gleiskörper zusammen, sondern vor allem zwei Bezirke, Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg. Sie zusammen bilden das weitläufige Festivalgebiet.

Im Zuge der Wiedervereinigung hat sich Berlin zu einer internationalen Metropole entwickelt, die Menschen aus aller Welt anzieht, nicht zuletzt wegen der immensen kulturellen Vielfalt, die die Stadt zu bieten hat. Die kreative Szene hatte schon immer eine Vorreiterrolle, wenn es darum ging, gesellschaftliche Prozesse zu untersuchen bzw. anzustoßen. Ein Verdienst der Kreativen ist vielerorts die kulturelle Belebung brachliegender Räume. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Erschließung des RAW-Geländes durch den Friedrichshainer Kulturverein RAW-tempel e.V. , der in diesem Jahr sein 15jähriges Bestehen feiern kann. Auf dem architektonisch interessanten Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes (RAW) findet in diesem Jahr, am Freitag, dem 10. Oktober um 19.00 Uhr, die feierliche Eröffnung des Kunst- und Kulturfestivals Kunstkreuz statt. Festivalbesucher_innen können sich auf ein kurzweiliges Rahmenprogramm freuen – darunter einen Beitrag von Akteuren des Tanz- und Bewegungsstudios motions, das im Kreuzberger Aufbauhaus angesiedelt ist, und eine außergewöhnliche Performance der Künstlerin Moran Sanderovich. Im Anschluss bietet sich die Gelegenheit, das Gelände mit seinen zahlreichen Veranstaltungsorten und dem vielseitigen Festivalprogramm zu erforschen.

Bei einer ungewöhnlichen Ausstellung im RAW-Ambulatorium können Besucher_innen ab 21 Uhr unmittelbar an einem künstlerischen Schaffensprozess Anteil nehmen. Sieben Künstler arbeiten abwechselnd auf 7 Leinwänden. Jedes Bild wird vertrauensvoll an den nächsten Schaffenden weitergegeben. So entsteht vor den Augen des Publikums eine kreative Ausstellung, die eine neue Sichtweise auf den Entstehungsprozess eines Kunstwerkes definieren will. Im Stoff- und Gerätelager finden unterhaltsame Mitmachaktionen und Musikveranstaltungen statt, u.a. der Auftritt der Pirates of Percussion, einer experimentierfreudigen und in jeder Hinsicht bunt gemischten Berliner Samba-Band. In der Halle 13 auf dem Gelände hat sich unlängst die Neue Heimat angesiedelt und organisiert regelmäßig Designmärkte und Musikevents. Auch sie ist mit eigenem Programm am Festival beteiligt. Die Veranstalter waren darüber hinaus bereit, den Platz für eine Installation zur Verfügung zu stellen, für die das Festivalteam lange nach einem geeigneten Ort gesucht hat. Die NIX BOX des Künstlers Thomas Raditschnig ist eine begehbare Installation, die einen Raum im Raum erschafft. Als Kontrast zu dem marktplatzähnlichen Treiben um die Installation herum, bietet die schalldichte Box Besucher_innen, die keine klaustrophobischen Neigungen haben, das Erlebnis plötzlicher Stille, das zu einer intensiven Erfahrung werden kann.

„Einmischen – Mitmischen“ heißt, sich beteiligen. Wer das Festivalprogramm aufmerksam studiert, wird eine Vielzahl von Veranstaltungen finden, die zur Beteiligung aufrufen. Darunter auch die Aktion Transit-Lichter, die am Freitag- und Samstagabend auf der Oberbaumbrücke stattfindet. Den Passant_innen, die in der Zeit von 19.00 bis 24.00 Uhr die Brücke überqueren, werden präparierte Teelichter angeboten, die sie anzünden und im Bereich des Geländers platzieren können. Transit-Lichter nimmt Bezug auf die historische Bedeutung der Oberbaumbrücke als einer Verbindungsachse zwischen den beiden Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain. Als symbolische Aktion weist das Projekt zugleich über den konkreten Ort hinaus und lädt dazu ein, gemeinsam Verbindungen zu erschaffen, beziehungsweise bestehende Verbindungen ins Bewusstsein zu rücken – also im übertragenen Sinne „Brücken zu bauen“.Auch auf der Kreuzberger Seite gibt es ein kreatives Zentrum zu entdecken. Das Aufbauhaus am Moritzplatz vereint zahlreiche Unternehmen der Kreativwirtschaft unter einem Dach, und es steht für eine lebendige Kulturszene, die es geschafft hat, sich auch längerfristig im Bezirk zu etablieren. In diesem Jahr öffnen vier hier ansässige Einrichtungen ihre Türen für Festivalbesucher_innen. Die Galerie Kai Dikhas zeigt ständig wechselnde Ausstellungen von Roma- und Sinti-Künstler_innen aus der ganzen Welt. Sie ist ein „Ort des Sehens“, so die Übersetzung des Namens der Galerie aus dem Romanes. Ebenfalls vertreten ist die TokyoBerlinArtBox SHINSEIDO als ein Ort, an dem sich zeitgenössische japanische Künstler_innen präsentieren können. Das gleichfalls teilnehmende motions ist ein Tanz- und Bewegungsstudio für urbanen, modernen, lyrischen, zeitgenössischen Tanz. Und auch die M1 Café-Bar ist mit einer Ausstellung und einem Musik-Programm mit von der Partie.

Das Kunstkreuz ist trotz allem ein dezentrales Festival. Ausdrücklich werden Festivalbesucher_innen dazu einladen, Bezirksgrenzen zu überschreiten und sich auf eine Entdeckungstour im gesamten Festivalgebiet zu begeben. Dabei möchten die Organisatoren auch zwei Ausstellungsorte nahebringen, die sich mit bezirklicher Geschichte auseinandersetzen. Da ist zum einen das Museum Lichtenberg im Stadthaus mit der Ausstellung Widerspenstig und widerständig: Jugendkultur in Lichtenberg zwischen 1960 und 1990, die anhand von Foto-, Film- und Tonzeugnissen verschiedene Arten alltäglicher und politischer Jugendkultur dokumentiert, die im Widerspruch zu den Vorstellungen der DDR-Offiziellen standen. Das FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum widmet sich mit der Ausstellung Ortsgespräche der Migrationsgeschichte vom Halleschen zum Frankfurter Tor und lässt ganz unterschiedliche Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg zu Wort kommen, auch jene, deren Stimmen oft überhört werden.

Das Festivalprogramm ist derart umfangreich und vielfältig, dass es schwerfällt, einzelne Orte oder Projekte herauszugreifen. Wenn wir es dennoch tun, dann um Ihre Neugier zu wecken und Sie zum Stöbern auf der Festivalhomepage zu animieren: www.kulturring.org/kunstkreuz. Hier finden Interessierte das gesamte Programm einschließlich kurzer Beschreibungen der Veranstaltungen.

Als besondere Empfehlung sollen an dieser Stelle noch einige Orte genannt werden, die getreu dem Motto „Einmischen – Mitmischen“ Aktionen zum Mitmachen anbieten und solche, die besonders Familien ansprechen wollen. Neben den Handgeschöpfte(n) Bildwelten der Künstlerin Brigitte Haase bietet das Studio Bildende Kunst (Lichtenberg) viele zusätzliche Programmpunkte, wie z. B. Porträtzeichnen, Origami, Buchbinden, Malen und Zeichnen, Druck und Radierung. In der Ausstellung „Zeigt Euch“ präsentiert das Studio im Hochhaus Arbeiten von Schülerinnen und Schülern aus Berlin-Lichtenberg aus den Projekten „Selbstvertrauen und Orientierung finden“ (Künstler Kurt Buchwald und Bernard Mayo Nke, Sozialpädagogin Zaklina Mamutovic mit Schülern der Nils-Holgerson-Schule in Berlin-Wartenberg) und „Zeigt her eure Lust“ (Künstlerinnen: Petra Helbig und Karola Richardt mit Sekundarschulen und Gesamtschulen in Berlin-Lichtenberg). Die Fotogalerie Friedrichshain präsentiert zu der im Rahmen des 6. Europäischen Monats der Fotografie gezeigten Fotozyklus von Mariusz Kubielas (Polen) „Bruno Schulz – Mariusz Kubielas – In Transitu“ ein Ausstellungs-Happening des Künstler-kollektivs Fortune Tigers in Form eines magischen Jahrmarktes zur Fotografie und zu fotografischen Positionen. Zudem gibt es ein foto fortune wheel, ein magisches Wurfspiel und passende Musik. In einer Lesung am Samstagabend stellt der Dichter Nepomuk Ullmann unter dem Titel Zeit, die sich ins Lächeln mischt Texte aus seinen Büchern und Unveröffentlichtes vor. Die ganz jungen Besucher_innen erwartet am Sonntagmorgen die Märchenaufführung Der Fuchs, Die Frau und die Ente von und mit Barbara und Ingo, die es meisterlich verstehen, ihre kleinen Zuschauer in den Bann zu schlagen.

Um auch Festivalbesucher_innen, die nicht mit dem eigenen Fahrrad kommen, größtmögliche Mobilität zu ermöglichen, stellt unser Kooperationspartner, die Fahrradstation in der Leipziger Straße, gegen ein minimales Entgelt Leihfahrräder zur Verfügung. Angesichts der großen Ausdehnung des Festivalgebietes, haben wir darüber hinaus, um eine bessere Orientierung zu bieten, Veranstaltungsorte, die räumlich nahe beieinander liegen, zu zwölf Touren zusammengefasst. Die Programmhefte sind eine lose Blattsammlung mit 12 Karten für 12 Areale, die alle darauf warten, entdeckt zu werden. Angesichts der wohlwollenden Wetterprognose steht einer ausgiebigen Erkundung des Terrains nichts mehr im Wege.

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