Querbeet – zum Sechzigsten

Christine Balbach

Am Donnerstag, dem 8. Mai öffnete in der Fotogalerie Friedrichshain die Jubiläumsausstellung „Querbeet – zum Sechzigsten – eine Retrospektive aus vier Jahrzehnten künstlerischen Schaffens des Fotografen Harald Hauswald“ ihre Pforten. Zur Vernissage kamen viele – die Galerie, die zu DDR-Zeiten der erste und wichtigste Ausstellungsort für Fotografie war, platzte förmlich aus allen Nähten: alte Freunde und Weggefährten, aber auch zahlreiche neue Freunde und Fans seiner Kunst kamen, um dem Jubilar zu gratulieren und mit ihm zu feiern. Musik gab es von der Sogenannten Anarchistischen Musikwirtschaft, die schon vor der offiziellen Eröffnung aufspielte und den Helsingforser Platz zur offenen Bühne erklärte. Bei Sekt und Sushi schoben sich die Besucher durch die Ausstellung, um bekannte und neue, bisher unveröffentlichte Fotos von Harald Hauswald zu entdecken:

Im ersten Raum hängen ausschließlich Fotografien aus dem Ausland, die in den letzten Jahren entstanden. Im mittleren Raum werden Fotos aus Hauswalds Archiv gezeigt, die größtenteils noch nie öffentlich zu sehen waren; und im dritten Raum findet man die bekannten Bilder. Sämtliche Fotos sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

Erst zu den Begrüßungsworten des Kulturring-Vorstandsmitglieds Lutz Wunder wurde es ruhiger, und die Gäste versammelten sich. Harald Hauswald wünschte sich zu seinem Ehrentag Marianne Birthler als Laudatorin, die jetzt ans Mikrofon trat. Ihre sehr persönliche Rede vermochte das Publikum zu bewegen – sie hinterließ Emotionen, ganz offensichtlich auch bei dem Jubilar Harald Hauswald. Blumen wurden überreicht, und spontan und lauthals stimmten alle ein Geburtstagsständchen an. Gratulanten umringten das Geburtstagskind und überreichten Geschenke. Bei stimmungsvoller Atmosphäre wurde noch lange und ausgiebig gefeiert, diskutiert, von alten Zeiten gesprochen und in die Zukunft geblickt. Fotografen, Literaten, Musiker, Journalisten, Verleger, Galeristen, bildende Künstler, Schauspieler... die Kreativszene gab sich ein Stelldichein und mischte sich mit interessierten Besuchern aus Nah und Fern.

Der Abend war außergewöhnlich und wird vielen in Erinnerung bleiben, auch den Mitarbeitern in der Fotogalerie. In letzter Minute wurden noch stapelweise Bücher verschiedener Verlage geliefert; der Andrang am Büchertisch war überwältigend. Der Nachschub von Getränken musste organisiert werden; der Hausmeister wurde gerufen, weil die Beleuchtung kurzzeitig ausfiel; es gab einen Notfalleinsatz - eine ältere Dame erlitt einen Schwächeanfall. Kleine Pannen und ungeplante Vorkommnisse gehören einfach dazu und sorgen für unvergessliche Augenblicke, an die man sich später immer wieder erinnern kann. Es war einfach eine großartige Vernissage und eine wunderschöne Feier zu Ehren des großen Fotografen Harald Hauswald!

In der aktuellen Ausgabe der Straßenzeitung „Straßenfeger“ (10/2014) findet man übrigens ein interessantes Interview mit dem Fotografen, das kurz vor der Ausstellungseröffnung in der Fotogalerie geführt wurde: „Mich interessieren Menschen in Räumen“...“Ich schaue nach vorne“, und die Frage nach dem Ausstellungstitel „Querbeet“ beantwortet Hauswald mit dem Statement: „Ja, Querbeet, damit die Leute sehen, dass es noch andere Sachen gibt, als die altbekannten“.

Wir freuen uns jetzt schon auf die Finissage am 20. Juni, 18 Uhr! Hauswald zieht nicht nur Menschen an - Menschen ziehen ihn an, sie stehen immer im Mittelpunkt seines Interesses. Nach wie vor fotografiert er mit einer analogen Kamera und am liebsten in schwarz-weiß. Grundsätzlich hat er nie wie andere Fotografen ein Bild gestellt, denn stets sucht er das gewisse Extra und findet dann seine Motive im Moment – damals wie heute. Der Betrachter hat dann irgendwie das Gefühl, den Personen auf seinen Bildern direkt gegenüber zu stehen. Diese beseelten und eindringlichen Bilder sind nicht nur Ästhetik pur, sie dienen auch der Erinnerung und sorgen für Spurensicherung – Hauswald eckte zu DDR-Zeiten gewaltig an.

Die Fotogalerie Friedrichshain bietet einen Überblick von Hauswalds Schaffen und zeigt zur Finissage den Dokumentarfilm RADFAHRER von Marc Thümmler, der u.a. den deutschen Kurzfilmpreis 2009 und den 1. Preis und Publikumspreis Kunstfilm-Biennale Köln-Bonn 2009 bekommen hat. „Radfahrer“ war Hauswalds operativer Deckname in der DDR. Die halbstündige Dokumentation zeigt Bilder, die Hauswald in den achtziger Jahren in Ost-Berlin aufnahm. Sie werden von ausgewählten Textauszügen aus seiner Stasi-Akte kommentiert. „Trotz oder gerade wegen der spröden Sprache der Ermittler ist RADFAHRER äußerst unterhaltsam. Ging ihnen etwa der Fotograf während der Beobachtung verloren, vermerkten sie „Das Objekt geriet außer Kontrolle“. Harald Hauswald wird zur Finissage anwesend sein. Bücher können auf Wunsch signiert werden.

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