Lona Rietschel. Bilder meines Lebens

Lona Rietschel

Am 6. Juni wird die Ausstellung „Lona Rietschel. Bilder meines Lebens. Comics und Zeichnungen für das Mosaik“ in der Kulturbundgalerie Treptow eröffnet. Lona Rietschel ist seit Jahrzehnten in Treptow wohnhaft, und noch nie gab es an ihrem Wohnort eine Personalausstellung ihres umfangreichen Oeuvres. Ihr Name ist eng mit der Bilderzeitschrift Mosaik verbunden. Viele jahrelange Leser und Fans im Osten Deutschlands und später auch in ganz Deutschland kennen ihre Zeichnungen und Figuren. Sie war es auch, die den legendären Figuren Digedags und später den ABRAFAXEN (Kobolde) Leben einhauchte. Nachstehend veröffentlichen wir Auszüge ihres lesenswerten, für eine Publikation gleichen Titels geschriebenen Textes, den der MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag Berlin 2013 zu ihrem 80. Geburtstag herausgegeben hat:Ich muss sagen, ich hatte einen wunderschönen Job. Ich hatte das große Glück, dass ich mein Hobby bzw. mein Talent zu meinem Beruf machen konnte und so ziemlich jeden Tag gern zur Arbeit ging. Das war aber nicht von Anfang an so voraussehbar. […] Sechs Jahre Krieg hatten die Welt um uns kaputt gemacht. Und da kommt eine und möchte „Modezeichnerin“ werden. Doch siehe, man beriet mich und sagte mir: „Ja, da ist die ‚Fachschule für Textil und Mode’ im Bezirk Friedrichshain. Da gibt es unter anderem eine Klasse für Modegrafik… […] Ich war 15. […] Das war im September 1949. […] Die Ausbildung dauerte 4 Jahre. [Lona Rietschel schwärmt noch heute von dieser Schule, d. Red.] Aber anstelle der steifen Modepuppen wollte ich lieber etwas Lustiges, Bewegtes und Karikiertes zeichnen. Und dann lernte ich eine West-Kunstschule kennen. Ich wechselte nämlich nach dem dritten Jahr zur „Meisterschule für das Kunsthandwerk“ in Westberlin, in der es eine Klasse Zeichentrickfilm gab. Zu der Zeit liefen in Westberlin (Die Grenzen waren ja noch offen) in den Kinos die wunderschönen Zeichentrickfilme von Disney. Etwa zeitgleich erschienen 1952 die ersten Mickey-Maus-Hefte in Deutschland. Ich habe sie mir alle gekauft für 75 Westpfennige, was umgerechnet für mich sehr viel Geld war. Sowas wollte ich gern zeichnen! […]

Inzwischen hatte ich Kontakt aufgenommen zur neu gegründeten Zeichentrick-Abteilung der DEFA in Potsdam-Babelsberg. Dort wurden zu der Zeit technische Trickfilme gezeichnet. Man war aber guter Hoffnung, dass bald figürliche Filme produziert werden. Und das geschah dann auch, aber: Die ganze Abteilung übersiedelte nach Dresden. Dahin konnte ich nicht mitgehen. Ich wohnte noch bei meiner alten Mutter und die konnte ich nicht allein lassen. Zu der Zeit war ich etwa 21. […] Nach 3 1/2 Jahren bekam ich durch Zufall die Telefonnummer vom Zeichenatelier der Bilderzeitschrift MOSAIK, die ich noch nicht kannte. Ich rief dort an und Herr Hegenbarth riet mir, doch mal mit einer Mappe vorbeizukommen. Mir gefiel sofort, was ich dort sah, kam es doch meinem Traum vom Zeichentrick sehr nahe. Herr Hegenbarth sah sich meine Arbeiten an und sagte, ich könne ja zeichnen. Leider war in der Zeichenabteilung alles besetzt. Aber er notierte sich meine Adresse. Und es dauerte gar nicht lange, als er nach mir schicken ließ. Ein Kollege, der bis dahin wichtigste Figurenzeichner, hatte plötzlich das Kollektiv verlassen. So konnte ich […] am 1. Mai 1960 bei MOSAIK anfangen.

Herr Hegenbarth ließ mich erst einmal in der Farbabteilung beim Ausmalen der Figuren ein Gefühl für die Spezifik der Figuren und den gesamten Zeichenstil entwickeln. Dann bekam ich Figurinen, die Frau Hegenbarth (Mitarbeiterin an der gleichen Modeschule, wie ich ausgebildete Kostümgestalterin) entworfen hatte, als Vorlage zum Zeichnen üben. […] Aber ich hatte natürlich, gefesselt von der neuen Aufgabe, weiter Zeichnen geübt, nach den vorhandenen Figurinen, hauptsächlich die Hauptfiguren, die Digedags. Auch zu Hause. Es war sehr reizvoll, mich in die Figuren hineinzuarbeiten und ihnen Mimik und Charakter zu geben. Zu der Zeit waren nur zwei der Figuren, Dig und Dag, in den Geschichten unterwegs. … und dann dauerte es gar nicht lange und ich durfte die ersten Bilder auf den Seiten, die für das Heft gezeichnet wurden, auf den von Herrn Hegenbarth locker aufgerissenen Bildern zeichnen. Die Geschichten wurden zusammen von Herrn Hegenbarth und Lothar Dräger, unserem Textautoren, erarbeitet. Die Aufrisse, und damit die Gestaltung des Heftes, lagen in den Händen von Herrn Hegenbarth. Er war der grafische Autor, für jede Seite des gesamten Heftes. Die aufgerissenen Seiten bekamen wir Zeichner dann zum Ausarbeiten. Wir hatten eine recht sinnvolle Arbeitsteilung. Die männlichen Kollegen zeichneten Technik, wie Maschinen, Kutschen, Schiffe, Häuser und Landschaften. Wir Frauen zeichneten danach die Figuren hinein. Dazu konnten wir Radio (z.B. Schulfunk) hören oder uns beim Zeichnen unterhalten, und es gab immer viel zu lachen… […] So vergingen die Jahre. Warum Herr Hegenbarth 1975 auf die unsinnige Idee kam, aufzuhören, ist bis heute nicht nachvollziehbar. […] Der Verlag war erschüttert. […] Da Herr Hegenbarth die Figuren der Digedags als sein geistiges Eigentum behielt, mussten wir uns neue Figuren schaffen. Kobolde sollten es wieder sein. Kobolde deshalb, weil die nicht älter werden und sich also im Laufe der Jahrhunderte, in denen die Geschichten spielten, nicht verändern dürfen. Vier Figurenzeichner machten Entwürfe, sehr unterschiedliche, von alten Männern bis hin zu naturalistischen Kindern. Ich entschied mich für jugendliche Kobolde, die dann im Verlag am besten ankamen. So wurden die Abrafaxe geboren. […]

Aber zur Zeit der Liquidierung des Verlages „Junge Welt“ war dem Liquidator eine junge Anwältin aus der DDR zugeordnet, die bei allen Verhandlungen dabei war und MOSAIK kannte und liebte und uns helfen wollte. Sie erzählte uns eines Tages, dass da einer mit einer Werbeagentur sich erkundigt hatte, was es mit dem Comic MOSAIK auf sich hat. Ein Hoffnungsschimmer für uns … […] Das Mosaik und wir hatten wieder eine Zukunft! Anfangs gab es noch Probleme wegen der Arbeitsräume. Wir mussten 1992 das Verlagsgebäude in der Mauerstraße verlassen, brauchten aber Raum für 12 Personen. Doch auch da wusste Klaus Schleiter einen Ausweg. Plötzlich war da eine große weiße Villa in Berlin-Westend. Da passte alles rein […] Im Lauf der Zeit kamen auch neue Mitarbeiter – Zeichner – zu uns. Wunderbare Typen, mit denen die Arbeit wieder Spaß machte. Und ich konnte mich voll auf meine Zeichnungen konzentrieren und möchte sagen, dass die letzten 5 Jahre bis zu meiner Rente 1999 meine beste und glücklichste Zeit bei Mosaik waren. Reich bin ich zwar nicht geworden, aber glücklich und zufrieden in dem Gedanken, für eine gute Sache gute Arbeit geleistet zu haben.

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