Warum gemeinnützige Vereine „BUFDI‘S“ brauchen –

Armin Emrich

und warum Ehrenämter und Freiwilligendienst eine stärkere gesellschaftliche Anerkennung verdienen

Vielleicht kennen Sie das ja: Sie setzten sich engagiert, zeitintensiv und vielleicht zuweilen sogar hart für eine gute Sache ein und müssen sich trotzdem manchmal fragen lassen: „Gehen Sie überhaupt arbeiten?“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn ja, dann haben Sie womöglich ein oder mehrere Ehrenämter, die in der Öffentlichkeit noch immer nicht genügend gewürdigt werden.

Als wir von PROFOLK-Berlin (einem Verein zur Förderung der Folk- und Weltmusikszene) im Frühjahr 2012 eine Livemusik-Veranstaltungsreihe für den Herbst gleichen Jahres planten, die „BERLIN-Unplugged“, da wurden wir schnell mit den Kapazitäts-Grenzen ehrenamtlicher Arbeit konfrontiert. Nach zunächst begeisterter Zustimmung und durchaus ernstzunehmender Mithilfe-Angebote unserer Freunde und Mitglieder bröckelte diese Front der Freiwilligen aus zwei Gründen recht schnell. Zum einen stellten diejenigen, die Vollzeit (+ X) arbeiteten, beim zweiten Augenschein fest, dass ihre mentale Unterstützung unserer Idee von ihnen nicht in gleicher Weise mit zeitlichem Engagement „bedient“ werden konnte.

Zum anderen aber brach ein anderes Manpower-Potenzial – etwas überraschender – ebenso weg: diejenigen, die eigentlich „zu viel“ Zeit hatten, i.d.R. weil sie gerade arbeitslos waren, bekamen zum Teil von ihren „Dienstherren“, den Arbeitsberatern im Jobcenter, den Rücken nicht frei. „Ehrenamt sei eine wunderbares Sache“, sagten die dann oft, „und sehr zu befürworten, aber bitte nicht auf Kosten der vollzeitigen Verpflichtungen eines Arbeitslosen gegenüber der Allgemeinheit.“ Gemeint waren damit Bewerbungsschreiben, Bewerbungstrainings und die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, deren Sinn im Hinblick auf eine Chancenverbesserung am Arbeitsmarkt sich nicht immer erschloss. Für diese Pflichten bekämen die Arbeitslosen schließlich momentan quasi ihr Geld. Alles andere sei begrüßenswert, aber Privatvergnügen. BASTA !

Diese von Ex-Kanzler Gerhard Schröder gerne verwendete Vokabel ist seit Einführung seiner Hartz-Reformen ein geflügeltes Wort, das sich viele Hilfsbedürftige auch oft von ihren Vermittlern anhören müssen. Und so häuften sich die Absagen von erhofften Helfern mit Verweis auf diese rigide Sichtweise ihrer Jobcenter. Wir von PROFOLK standen da mit unserem Latein und mussten als dreiköpfiger Vorstand die ganze BERLIN-unplugged-Festivalorganisation plötzlich alleine machen – zusätzlich zu unserer eigentlichen Vorstandsarbeit und natürlich ebenfalls komplett ehrenamtlich. Als freiberufliche Musiker und Musikjournalisten und oft selbst (fast) nur von Luft und Liebe (auch zur Musik) lebend.

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, die Einzelheiten der BERLIN-unplugged 2012-Reihe detailliert auszuführen. Wer einmal die Website www.berlin-unplugged.de aufruft, sieht nicht nur die musikalische Vielfältigkeit, sondern wird auch ein Gefühl für den immensen Arbeitsaufwand bekommen, der in dieser Festivalreihe steckt.Wir, der PROFOLK-Vorstand, haben die Aufgabe trotzdem gemeistert. Danach waren wir zwar glücklich über die gelungene Präsentation der Berliner Weltmusikszene, aber gleichzeitig auch mehr als stehend K.O. Nach „Schlusspfiff“ kriegten wir uns wegen Kleinigkeiten dermaßen in die Haare, dass fast der Zusammenhalt unseres Vereins PROFOLK gefährdet war. Und nachdem uns einige Wochen später klar wurde, dass wir schlichtweg unter einem kollektiven Erschöpfungszustand litten, hatten wir uns selbst eines fest versprochen: so eindrucksvoll das Festival auch war, wir machen es in dieser Form nicht wieder – nicht noch einmal ohne verlässliche, weitere Hilfe.

Als wir einige Zeit später am S-Bhf-Waidmannslust, nahe unserer PROFOLK-Geschäftsstelle, das Werbeplakat für den BUNDESFREIWILLIGENDIENST sahen, waren wir zunächst ungläubig überrascht: Eine Möglichkeit der Mitarbeit, auch für ältere Engagierte? Und das nicht nur im Bereich Altenpflege oder Katastrophenschutz (was natürlich auch sehr wichtige Betätigungsfelder sind), sondern auch in der Kultur? Wir wollten es erst gar nicht glauben. Dann setzten wir uns ans Telefon und machten uns im Gespräch mit dem zuständigen Bundesamt in Köln schlau. Dort erklärte man uns kompetent und freundlich die Modalitäten. Jetzt wussten wir, dass es sowas wie Zentralstellen und Träger für die einzelnen Einsatzstellen gab. So eine für uns geeignete Zentralstelle war schnell gefunden: die BKJ (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.) mit seinem Partner Kulturring in Berlin e.V. Letzterer half uns dann tatkräftig und effizient, aus unserer PROFOLK-Geschäftsstelle schnell auch eine BUFDI-Einsatzstelle zu machen.

Was uns seit damals durchgehend erfreut und „im positiven Sinne verwundert“, ist, wie unbürokratisch von da an alles ablief: die bei uns eingesetzten BUFDIs – beides Hartz IV-Empfänger – mussten sich plötzlich von ihren Jobcentern überhaupt keine Gängeleinen mehr gefallen lassen. Im Gegenteil – ihr Ansehen gegenüber ihren Beratern stieg rapide, wie bei „richtigen“ Arbeitnehmern. Und die Freiwilligen berichten, dass auch ihre Partner, Freunde, und Nachbarn die „Frage aller Fragen“ („wat machste eigentlich den janzen Tach“) inzwischen zurückstellen. Da kommt – nach oft längerer Zeit – auch wieder eigenes Selbstbewusstsein auf.

Wir von PROFOLK wissen von mit uns befreundeten Kulturvereinen, die ebenfalls Bundesfreiwillige eingestellt haben, dass deren Situation dort ähnlich entspannt ist wie bei uns und deren Motivation genau so hoch ist. Viele Freiwillige berichten, mit dem Eintritt in dieses Quasi-Arbeitsverhältnis sei erst mal eine regelrechte psychische Last von ihnen genommen worden. Die gleiche Arbeit, die vorher rein ehrenamtlich geleistet wurde, wird plötzlich – gesellschaftlich und vom persönlichen Umfeld – komplett anders wahrgenommen und bewertet. Das steigert die Lebenszufriedenheit, aber auch die tatsächliche Leistungsfähigkeit der BUFDIs enorm.

Solche Aussagen finden sich unisono auch beim Zusammenkommen von BUFDIs anlässlich monatlich stattfindender Bildungstage wieder. Dort treffen sich z.T. einige Dutzend Freiwillige aus Einsatzstellen mit ganz verschiedenen Aufgabenfeldern. So unterschiedlich ihr Arbeitsalltag aussieht, in puncto (wohltuender) höherer gesellschaftlicher Akzeptanz ihrer Leistung sind sie sich alle einig. Zudem sagen die Hartz IV-Empfänger unter ihnen (und das sind nicht wenige), dass die (anrechnungsfreien) 200 Euro über dem Regelsatz ihnen einen spürbaren finanziellen Spielraum über das Existenzminimum hinaus in die Hand geben, was überhaupt erst den Kopf frei macht für kraftvolles und zeitintensives Engagement. Auch eine Befragung von BUFDIs (älter als 27 Jahre; Fragebogen-Erhebung der Zentrastelle BKJ und der mit ihnen verbündeten Träger im Dezember 2013 und Januar 2014) kommt zu solchen Ergebnissen: etwa die Hälfte aller Freiwilligen möchte mit der Tätigkeit auf „offizieller“ BUFDI-Grundlage etwas sinnvolles für das Gemeinwohl tun, ist aber gleichzeitig auch darauf angewiesen, damit die eigene finanzielle Situation zu verbessern. Anlässlich dieser Aussagen sollte vielleicht doch einmal ernsthafter auf Denkanstöße von Leuten wie Götz Werner, dem Gründer der Drogerie-Discountkette dm (und mit Sicherheit kein „dogmatischer Linker“), eingegangen werden. Der setzt sich – auch um neue Freiräume für selbstgewähltes und selbstbestimmtes gemeinnütziges Engagement zu schaffen – schon lange für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Zumindest aber sollte das „System Bundesfreiwilligendienst“, das sich gut bewährt hat, weiter ausgeweitet werden. Und das möglichst auch finanziell – für die Träger und für die BUFDIs!

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