Zum Tode von Günter Reisch – ein Nachruf

Irina Vogt

Der Spielfilmregisseur und Drehbuchautor Günter Reisch starb am 24. Februar 2014 im Alter von 86 Jahren. Er war einer der letzten „großen alten Männer“ der DEFA, dessen Name und längste Zeit des Wirkens mit der DEFA verbunden ist.

Der 1927 geborene Sohn eines Bäckermeisters wusste schon als Jugendlicher genau, was er werden wollte: Regisseur. Nach seiner Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nahm er Schauspielunterricht und kam 1947 zum DEFA-Nachwuchsstudio. Als 20jähriger war er schon Regieassistent bei Gerhard Lamprecht. Kurze Zeit später assistierte er Kurt Maetzig bei einem der eindringlichsten Filme der frühen DEFA-Jahre: „Der Rat der Götter“. Sein Regiedebüt 1956 – das Lustspiel „Junges Gemüse“ – zeigte mit der Wahl des Genres und der Themen Motive, die sich wiederholen sollten: So war es die Komödie, der seine besondere Liebe galt, und eine satirische Kritik an bestimmten Zuständen des sozialistischen Alltags, wie hier der Bürokratie. In späteren Komödien, wie „Anton der Zauberer“ (1977), waren es die Mangelwirtschaft und die Selbstbereicherung eines Arbeiters und in „Ein Lord am Alexanderplatz“ (1967) ein Heiratsschwindler im Sozialismus, die das Publikum zum Lachen brachten und die beiden Lustspiele zu zwei der erfolgreichsten DEFA-Komödien machten. Hohe Besucherzahlen für DEFA-Filme waren alles andere als selbstverständlich. Der Erfolg von Reischs Komödien lag oft daran, dass seine komischen Filmhelden eigentlich „negative“ Helden waren, oft kleine Gauner, die aber sympathisch und liebenswert gezeichnet waren. Reisch selbst hielt „Ach, du fröhliche…“ (1962) für seine beste Komödie, für die Hermann Kant das Drehbuch schrieb. Selbiger hatte übrigens in dem Film einen kleinen Auftritt als Partygast, wie auch Reisch selbst gern in seinen Filmen auftauchte, so zum Beispiel als Fahrgast in „Nelken in Aspik“ (1976) – etwas, was man heute Cameo-Auftritte nennt.

Daneben gibt es in seinem Schaffen jene Filme, die sich mit historischen Themen und Biografien beschäftigten. Er assistierte Kurt Maetzig bei den „Thälmann“-Filmen und machte selbst zwei Produktionen zum Leben Karl Liebknechts. Die Figuren darin sind immer Repräsentanten einer Schicht – nicht nur deshalb zählen sie zu den propagandistischen Arbeiten in der DEFA; sie waren jedoch auch ein Diskussionsvorschlag Reischs zur Entwicklung des Genres des historischen Revolutionsfilms. Einer seiner größten Erfolge war „Die Verlobte“, 1980 in Co-Regie mit Günther Rücker entstanden. In diesem Meisterwerk wird die Geschichte einer Kommunistin in einem Nazigefängnis erzählt (grandios die Darstellung von Jutta Wachowiak). „Die Verlobte“ bekam mehrere, auch internationale Preise, war aber vor allem eines der Kunstereignisse in der DDR, die gesellschaftlich diskutiert wurden.

Günter Reisch war lange Zeit Vizepräsident des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, ab 1983 war er ordentliches Mitglied der Akademie der Künste und nicht zuletzt langjähriges Mitglied im Kulturring in Berlin e.V.

Nach der Wende wandte er sich vor allem der Nachwuchsförderung zu. Er unterrichtete an der HFF „Konrad Wolf“, an Filmhochschulen in Graz, Köln, Kassel und Weimar. Einer seiner Schüler, auf den er zu Recht besonders stolz war, der inzwischen selbst ein namhafter Regisseur ist, war Andreas Dresen. Seine Worte zum Tode von Günter Reisch sollen diesen Nachruf beschließen: „Seit 30 Jahren war er als Lehrer und Freund an meiner Seite. Sein guter, kluger Rat wird mir fehlen. Es ist wieder etwas einsamer geworden.“

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