Fünfzehn strahlende Jahre „Heller Salon“

Wolfgang Pfeiffer

sind 15 Jahre Welterkenntnis für ein breites Publikum. Lichtblick in einer Kulturlandschaft, in der abseits naturgemäßer Segnungen kultureller Vielfalt in der Berliner Mitte über die Jahre so manches Licht abhanden kam. Fünf Jahre und eine Unzahl ihrer Veranstaltungen im Berliner Kulturleben sind seit meiner letzten Eloge zum zehnjährigen Jubiläum auf das wahrlich segensreiche Wirken von Alina Pätzold-Martirosjan im Berliner Nordosten wiederum ins Land gegangen. Zarte Pflänzchen wurden von der unermüdlichen Kulturkämpferin mit Herz und internationalem Migrationshintergrund fünf Jahre nach ihrem furiosen Start im Hellersdorfer Kulturforum ebenfalls in ihrem Heimatbezirk Lichtenberg gepflanzt. Sie haben sich in den vergangenen Jahren prächtig weiterentwickelt, unter ganz unterschiedlichen lokalen Aspekten in Hohenschönhausen, Falkenberg und Karlshorst, dort mittlerweile ins Kulturhaus am S-Bahnhof umgezogen. Der jeweilige Markenname bleibt weiter ein Magnet für Stammpublikum wie „Neue“, die fasziniert wiederkommen. Auch aus dem Blickwinkel des Jahres 2014 ist zu wünschen, dass dieses europäische und globale kulturelle Leuchtfeuer weiter seine Strahlen in die Hauptstadtkultur aussenden möge.

Einen Text über ihr segensreiches Wirken für die Kultur im Stadtraum Nordost könnte man unter vielen treffenden Aspekten beginnen. Indem man mit Alina Pätzold beginnt, aber vielleicht auch, indem man die Geschichte von Kultur und Kulturforum in Hellersdorf, auch dessen vorangegangener 10 Jahre seit der rohbaulichen Fertigstellung um 1990 herum, beleuchtete. Gern erinnere ich mich an die erste Begegnung mit unserem „Kultur-Forum" in der so passend benannten Carola-Neher-Straße, als Richard von Weizsäcker in klirrender Kälte, gerade seine Lesung verlassend, irgendwann in den 1990er Jahren aus dem Eingang schritt. Nie hätte ich geahnt, dass später – in Diensten für das bezirkliche Kulturamt – dort einmal mein Büro sein würde, und mit dem schönen August Förster im Großen Saal dort im übertragenen Sinne einmal mein „Dienstflügel“ stünde. Oder, dass auf Anregung und mit freundlicher Hilfe von Thomas Mees, Nestor der Bühne, Käthe Reichel, eine der letzten Brecht-Vertrauten, u.a. vor der DGB-Spitze aus FFM die „Heilige Johanna der Schlachthöfe" auf unserer spontanen Bühnenerweiterung per Euro-Palette hier bei uns zu unvergesslichem Auftritt gekommen wäre. Neben einer der letzten Veranstaltungen von Regine Hildebrandt sowie Lesungen von Heiner Geissler und Lothar Späth (die „Stunde der Politik“ mit der damaligen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer) gehen meine Gedanken schlaglichtartig weiter in die Zeit vor zehn, fünfzehn Jahren zurück, zu den diversen Ausstellungen in meiner Verantwortung, der dankbar übernommenen, aber nach mir leider eingestellten Kabarettreihe, wunderbaren Konzerten der neuinitiierten Klassikreihe „Musik an der U-Bahn“ und an dieser Stelle zum ersten Sonntags-Konzert mit Harfe und Flöte bei Sonnenschein und Schampus im lauschigen Garten des Kulturforums direkt neben der U-Bahn-Trasse. Oft brachte ich seither meine Freude darüber zum Ausdruck, wie dieses Garten-Kleinod weiter über die Jahre liebevoll gepflegt wird. Ein irischer Abend drinnen und auch dort draußen war damals mein erster eigener Versuch, eine Landesbotschaft für ein so „far out“ gelegenes lokales Kulturzentrum mit einzubinden. Oft gab es Anrufe wie diese: „Sie sind doch das Kulturforum...“ „Ja?“ „Sie haben doch diese Dürer-Ausstellung“ – „Nein, wir haben dafür eine sehr schöne Fotoausstellung, Portraits von Klaus Robe“ – häufige Verwechslungen mit dem großen Kulturforum am Matthäikirchplatz in Tiergarten. Meine Überraschung war also groß, wie aufgeschlossen und positiv für das gewünschte Gesamtpaket Musik, Kultur, kulinarische Besonderheiten die diplomatischen Vertreter reagierten.Alina Pätzold war schon damals mit ihrem seinerzeit seit einem Jahr laufenden Hellen Salon für den Kulturring in meiner Wahrnehmung ein Teil dieses tollen und mit allen Möglichkeiten von Räumen und Bühne ausgesprochen vielseitigen Hauses. Wunderbar und vielseitig waren für mich auch die Diskussionen mit der hochengagierten und ganz nebenbei polyglottesten Frau im „lokalen Kulturbetrieb“. Wie viele Veranstaltungen haben wir schon damals im Vorfeld diskutiert und anschließend „auseinandergenommen“. Zudem war mir Alina Pätzold mit ihrem ganzen menschlichen Hintergrund stets zuverlässiger Anker und Seismograph auch bei rauerer See. So bin ich ihr wie ihrer stets ebenso hilfreichen und uneigennützigen Familie dankbar für manchen guten Rat. Höhepunkte zu schaffen, das ist, wie an anderer Stelle schon erwähnt, ohne freundschaftlich verlässliche Partner kaum zu schaffen. Ein gewisser Apparat, vom Kartenverkauf bis zu Beleuchtung und Ton, ist einfach Voraussetzung einer gelungenen Veranstaltung. Aber es gehört eben soviel mehr dazu, alle Beteiligten so zu motivieren, dass der Funke bis auf’s Publikum überspringt und daraus der Kern für Weiteres entsteht. Das ist das eigentliche Herz jeder Veranstaltung, die eigentliche Leistung. Nur durch ihre mitreißende Begeisterung für die Sache, ohne die eine noch so erfolgreiche Veranstaltungsreihe nicht möglich wäre, können wir heute auf das Jubiläum eines aufs Beste realisierten und weiter vitalen Konzepts, eines Gesamtkunstwerks Heller Salon blicken.

Das Sujet ist unsere eine Welt mit ihren vielen Kulturen, die sich in allen Formen der Bildenden Kunst, der Musik, Literatur, aber auch in der Alltagskultur, der Sprache, dem Essen darstellt. Was liegt hier näher, als dies im Rahmen von Länderabenden zentral aufzunehmen und aus einem Guss zu präsentieren. Niemand hat dies in den letzten Jahren schöner kultivieren können und dazu auch die jeweiligen diplomatischen Ländervertretungen besser einbinden können als Alina Pätzold. Für Viele unerklärlich bleibt auch, wie sie es immer macht, diese Vielzahl an interessanten Künstlern als Rückgrat ihrer Reihe, einem Leuchtturm von Veranstaltungen im Bezirk, „aus dem Hut zu zaubern“. Publikum muss von ganz allein, gerne und in ausreichender Anzahl kommen. Es muss gut behandelt und vor allem interessiert werden, damit jeder gern wiederkommt und andere Interessierte mitbringt. Jeder Veranstalter weiß, Berichte und Zeitungsartikel allein bringen ihn diesem Ziel nicht näher. Die Liebe zum Detail und zu jedem einzelnen Besucher, das im Gespräch erworbene Wissen um und die Pflege der Vorlieben jedes Einzelnen zeichnet Alina Pätzold für jede ihrer Veranstaltungen aus. Diese Funken springen garantiert über. Dies betrifft den Hellen Salon im Kulturforum Hellersdorf ebenso wie die von ihr komponierten „Ableger“ in Karlshorst oder in Hohenschönhausen. Nordamerika mag noch ein weißer Punkt auf der globalen Landkarte für den Hellen Salon sein, gern erinnere ich mich an eine emotional enorm starke Veranstaltung mit US-Entertainer „Jimmy" vor einigen Jahren in Hohenschönhausen. Immer scheint es Alina ganz persönlich um das Berühren aller Sinne und um Kommunikation zu gehen. Der von mir wegen seiner unverstellten Liebe zu Natur und Schöpfung sehr geschätzte, leider viel zu früh verstorbene Folksänger Henry John Deutschendorf, besser als John Denver bekannt, sagt auf seiner LP Poems, Prayers and Promises: „the purpose of my music has always been – to communicate“.

Genau dies, Kommunikation aus eigenem Impuls zu schaffen, diese Kunst sehe ich als Kern der Arbeit von Alina Pätzold.

Bitte weitermachen, möchte man rufen, und mich würde es besonders freuen, wenn dieser Leuchtturm uns ganz lokal noch die letzten weißen Zipfel unserer einen, sich geschwind globalisierenden Welt zeigt, dass er nach den nun ersten erfolgreichen Jahren auch weiter gewürdigt wird. Im Berliner Tiergarten soll sogar ein präsidiales Amt existieren, das bürgerschaftliches Engagement prüft und, falls es nicht um Schnulli und Oberschnulli im Rahmen von Nord-Süd-Dialogen geht, auch wieder einmal der unter den gegebenen Bedingungen nicht ganz einfachen Kulturarbeit im Nord-Osten Berlins ein entsprechendes Bonbon anheften lassen könnte. Wir finden, sie hat das verdient!

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