Marktgläubig

Ingo Knechtel

sind die meisten von uns wohl mittlerweile nicht mehr. Zu viel haben wir von solchen Sprüchen, wie: „Der Markt wird’s schon richten!“ gehört, und zu ernüchternd ist das reale Leben. Konsum, Wachstum, Schaffe, schaffe Häusle baue, knietief im Dispo – wo ist das Ende? Lola rennt. Ein Job reicht nicht, Ellenbogen einsetzen, Tempo erhöhen! Wo ist das Ziel? Sieht so selbstbestimmtes Leben aus? Gehört ein überwundener Burn-Out mittlerweile zum Leben wie ein kurierter Infekt? Wie gehen wir damit um, wenn wir als Mensch nach unserem Marktwert katalogisiert werden: Manager, Fußball-Profis, Filmstars – Top Level, Millionärsliga am einen Ende; Lebenskünstler, Hilfebezieher, Ehrenamtler – Bottom Level, Armenliga am anderen? Marktwert von Tausend bis Null. Gesellschaftliches Ranking von Elite bis Ausgegrenzt. Stopp! – sagen Sie mit Recht. All das passt mir so nicht! Doch schauen wir als Gesellschaft schon oft genug in den Spiegel? Tun wir genug für die Würde des einzelnen und gegen Fehlentwicklungen, um es mal milde zu formulieren? Anfangen könnten wir doch einmal damit, toleranter und nachdenklicher mit Lebensmodellen umzugehen, die versuchen, den Marktzwängen etwas entgegenzusetzen, die konsequent dem eigenen Leben seinen Sinn zurückgeben. Auf die Arbeitswelt bezogen, hieße das, darüber nachzudenken, ob es nicht gut tut, wenn Menschen sich rein freiwillig eine Glück und Zufriedenheit stiftende Beschäftigung suchen. Viele kulturelle und soziale Projekte beweisen, dass es dabei eine breite Schnittfläche zu gesellschaftlich notwendiger Arbeit gibt, dass Menschen sich gern sozial engagieren. Von der Politik wäre zu verlangen, dass sie die Voraussetzungen dafür schafft, zum Beispiel in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens oder – für den Anfang – mit mehr Stellen im Bundesfreiwilligendienst. Ohne die viele freiwillige Arbeit wäre diese Gesellschaft schon heute kaum überlebensfähig. Der Markt wird ein Überleben nicht richten, wir müssen das schon selber tun!

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