„Freiwerden für Licht“

we-bue

Zum Tod der Dichterin Elisabeth Hackel

(11. Mai 1924 – 08. Januar 2014)

Bahnhofsuhr

Im Abteilfenster gespiegelt

Fühl mich frei zu wählen

zwischen Zeit und Spiegelzeit,

welche Stunde für mich wahr ist

und wohin ich treibe,

wenn ich in die Zwillingsmonde

unverhofft mich fallen lasse,

der Gezeitenstrom

mich aus der Verwurzlung reißt.

E.H.

Ein schmerzlicher Verlust ist zu beklagen: Die Dichterin, Mitbegründerin und Nestorin

des Köpenicker Lyrikseminars Elisabeth Hackel ist tot.Ihr Tod schmerzt nicht nur die nahen Verwandten, auch alle Freunde der Lyrik, die ihre Verse lieben, trauern.

Wir werden keine neuen Gedichte mehr von Elisabeth Hackel genießen können, müssen in die Bücherregale greifen oder in Bibliotheken nachlesen, was sie an wunderbarer Poesie uns hinterlassen hat, z.B. in den Gedichtbänden „Luftwurzeln, „Freiwerden für Licht“ (mit Illustrationen von Egon Bresien) oder „Tage ohne Geländer“ (Illustrationen von Egon Bresien, Nachwort von Jürgen Polinske). Aber auch in zahlreichen Anthologien, wie z.B. „Inselfenster“ 1-3, „Zwei Ufer hat der Strom“ war sie vertreten. Mehrfach wurde sie bei den Lichtenberger Literaturwettbewerben mit Preisen geehrt.

Geboren wurde Elisabeth Hackel am 11. Mai 1924 in Roßlau (Sachsen/Anhalt). In Berlin, wo sie ab 1953 in Baumschulenweg freiberuflich lebte, studierte sie an der Humboldt-Universität Pädagogik,.

Von 1964 bis 1984 war sie als redaktionelle Mitarbeiterin an der Herausgabe des „Jahrbuches für Erziehungs-und Schulgeschichte“ beteiligt.

Das Schicksal hatte es leider nicht gut mit ihr gemeint: 1981 starb ihr geliebter Ehemann Walter Hackel, 1987 starb ihr ältester Sohn Peter, und in den 1990iger Jahren musste auch noch ihr zweiter Sohn Walter vor ihr gehen.

Dennoch war ihre Lebenszuversicht ungebrochen. In zwei kirchlichen Gesprächskreisen engagierte sie sich leidenschaftlich. Sie gründete den „Zirkel schreibender Arbeiter“ auf der Köpenicker Schlossinsel, der ab 1975 vom Dichter Ulrich Grasnick unter dem Namen „Köpenicker Lyrikseminar“ bis heute geleitet wird. Mit dem Dichterehepaar Charlotte und Ulrich Grasnick verband sie eine jahrelange literarische und persönliche Freundschaft. Besonders Ulrich Grasnick war ihr immer wieder einfühlsamer Mentor und literarischer Begleiter; für zwei Ihrer Gedichtbänder hat er das Nachwort verfasst.

Seit 1988 war Elisabeth Hackel Mitglied der Kulturbundes/Kulturring in Berlin e.V. Reno Döring organisierte mehrere Lesungen mit ihr im Club in der Ernststraße, wo sie ihre frischgedruckten Werke der Öffentlichkeit vorstellte. Auch mit Bernhard Buhley vom Ratz-Fatz hatte sie guten Kontakt und konnte dort ihr Publikum mit ihren Werken erfreuen, oft begleitet von ihrer Enkelin, der Flötistin Teresa Hackel.

Nicht zu vergessen ihre zahlreichen Lesungen in ihrer geliebten Heimatstadt Roßlau, wo sie in der Ludwig-Lippmann-Bibliothek, unter der Leitung von Karin Weinmann, gern gesehener literarischer Gast war, wie zuletzt am 21. August 2013 in Begleitung von Frank Wegner-Büttner vom Köpenicker Lyrikseminar. Die Ludwig-Lippmann-Bibliothek besitzt sämtliche Gedichtbände von Elisabeth Hackel.

Aber auch bei Lesungen des Köpenicker Lyrikseminars/Lesebühne der Kulturen, wo sie als engagiertes Mitglied sehr geschätzt wurde, sowohl in Köpenick, Karlshorst oder in Adlershof, konnten wir die Kraft ihrer Poesie und ihre eindringliche und fesselnde Vortragskunst bewundern. Auch in Lateinamerika wurden ihre Gedichte veröffentlicht, in den Übertragungen des peruanischen Dichters José Pablo Quevedo. Aufgrund der literarischen Qualität ihrer Werke wurde sie 1995 Mitglied der Gesellschaft für Zeitgenössische Lyrik, 2001 ins Deutsche Schriftstellerlexikon und 2002 in Kürschners Deutschen Literaturkalender aufgenommen.

Elisabeth Hackel wird uns fehlen: Ihre liebevolle Art, ihre verständnisvolle Anteilnahme und Hilfsbereitschaft, sind allen die ihr persönlich begegnet sind, in wärmster Erinnerung.

Wie sehr hatten wir doch gehofft, nach ihrem letzten Auftritt am 21. November 2013 zur Herbstlesung des Köpenicker Lyrikseminars/Lesebühne der Kulturen Adlershof im Kulturzentrum Alte Schule, dass wir am 11. Mai 2014 ihren 90. Geburtstag würdevoll mit einer Lesung mit neuen Werken feiern können.

Leider war es ihr nicht vergönnt. Und so nehmen wir Abschied und behalten Elisabeth Hackel in liebevoller Erinnerung als großartige Dichterin und wunderbaren Menschen. Das Köpenicker Lyrikseminars/Lesebühne der Kulturen Adlershof bereitet derzeit eine Gedenklesung mit ihren Werken vor. Die Trauerfeier findet am 07. Februar 2014, 10:00 Uhr auf dem Friedhof in Friedrichshagen statt.

(we-bue, 14.1.2014)

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