Jahresauftakt im Kulturforum Hellersdorf

Dr. Gerhard Schewe

Montag, 6. Januar 2014: Heilige Drei Könige, orthodoxes Weihnachtsfest, für viele Menschen der erste Arbeitstag im neuen Jahr, unfreundliches Nieselwetter..... Ein idealer Termin war es wahrhaftig nicht, liebe Kunstfreunde; aber wer an dem Abend zu Hause geblieben ist, hat etwas Außergewöhnliches verpasst: die erste Vernissage im Jubiläumsjahr des Kulturrings sowieso, vor allem aber die berlinweit sicher erste Begegnung mit zeitgenössischer Kunst aus einem Land, Belarus, das uns eher durch geschichtliche und geographische als durch kulturelle Fakten bekannt ist: als Schauplatz der Russlandfeldzüge Napoleons und Hitlers, als ehemalige Sowjetrepublik, als Transitstation auf dem Weg nach Moskau, als Produzent von Traktoren und Opfer der Tschernobyl-Katastrophe.

Nun also „Witebsker Impressionen“ von Andrey Duchovnikov, und natürlich stellt sich sofort noch eine ganz andere Assoziation ein: Marc Chagall (1887 – l985), der große Sohn der Stadt an der Dwina, der hier seine ersten Schritte zur künstlerischen Meisterschaft getan hat und die Industriemetropole auch zu einer Heimstatt der Malerei im zaristischen bzw. frührevolutionären Russland machen wollte, bevor ihn die Wirren der Zeit in seine spätere Wahlheimat Frankreich verschlugen. Doch obwohl er hierdurch in ganz andere Kulturkreise und Traditionsbezüge geriet, blieben seine Witebsker Impressionen in seiner Bildersprache zeitlebens präsent.Ein Dezennium später lebt und arbeitet Duchovnikov – 1966 in Kasachstan geboren – in derselben Stadt, die freilich nicht mehr dieselbe ist. Das Witebsk, wie Chagall es kannte, verharrte noch tief im 19. Jahrhundert; das von Duchovnikov strebt in die Zukunft. Merkwürdigerweise aber sieht man den ausgestellten graphischen Blättern gerade das nicht an. Kein Indiz, kein Zitat weist darauf hin, dass sie erst in den letzten Jahren entstanden sind. Die Motive – von filigranen Kirchtürmen überragte Stadtlandschaften, Straßenansichten, einzelne Gebäude, architektonische Details – scheinen außerhalb von Zeit und Raum zu stehen, poetisieren die Prosa einer heutigen Großstadt, sind einfach nur schön. Eine Besucherin glaubte, sie mit Chagall vergleichen zu können, was angesichts der Unterschiede zwischen dessen phantasievoller Farbigkeit und dem Schwarz-Weiß der Graphiken problematisch bleibt. Der Künstler selbst war leider nicht anwesend, konnte also auch nicht befragt werden.

Die noch bis zum 22. Februar zu besichtigende Ausstellung ist das Ergebnis einer im vorigen Jahr mit einem „Hellen Salon“ begonnenen Zusammenarbeit zwischen dem Kulturring und der Botschaft der Republik Belarus in Deutschland. Insofern gab es auch zwei Eröffnungsansprachen: die von Lutz Wunder, Vorstandsmitglied des Kulturrings und guter Geist des Kulturforums, und die von Botschaftsrat Aleksei Zhbanov, der auch die Grüße seines Botschafters überbrachte. Die Laudatio hielt Elena Belenkaya.

Insbesondere konnten sich die Veranstalter darüber freuen, dass beide Kulturverantwortliche des Bezirksamts Marzahn-Hellersdorf ihrer Einladung zu diesem symbolträchtigen Jahresauftakt gefolgt waren: Christine Dreger als Fachbereichsleiterin Kultur und Bezirksstadträtin Juliane Witt. Letztere griff in ihrem spontanen Redebeitrag aus dem musikalischen Beiprogramm den Begriff des Präludiums, des einleitenden Vorspiels auf, um ihrer Zuversicht auf eine erfolgreiche Weiterführung dieser Zusammenarbeit Ausdruck zu geben. Diese könne auch im Rahmen einer schon lange bestehenden, aber erneuerungsbedürftigen Partnerschaft zwischen Marzahn-Hellersdorf und einem Bezirk der belarussischen Hauptstadt Minsk erfolgen.

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