Museum Lichtenberg – eine Ausstellung zu 725 Jahre Lichtenberg

Michael Laschke

Das Jahr 2013 neigt sich dem Ende zu. Der Berliner Senat stellte es unter das Thema „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933 – 1938 – 1945“, um an den 80. Jahrestag der Übergabe der Reichskanzlerschaft durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg an Adolf Hitler und den 75. Jahrestages des Pogroms gegen die jüdische Bevölkerung zu erinnern. In den Bezirken, auch in Lichtenberg, spiegelte sich dieses Thema in vielfältigen regionalen Veranstaltungen wider. Lichtenberg hatte darüber hinaus in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum. Es konnte auf den 725. Jahrestag der Ersterwähnung in einer Urkunde zurückschauen. Für das Bezirksamt und für das Museum Lichtenberg in der Türrschmidtstraße war dieses Datum bedeutsam genug, eine Publikation – Jürgen Hofmann, „Kurze Geschichte eines Berliner Bezirks“, 187 Seiten, Berlin 2013, – und eine Ausstellung unter dem Titel „Große Geschichte der kleinen Dörfer“ zu gestalten. Der Titel, so ist im Katalog zur Ausstellung zu lesen, übertreibt nicht. Misstrauisch geworden ob eines solchen Selbstlobs, liest man den Katalog und besucht die Ausstellung (Laufzeit vom 1.9.2013 bis 2.3.2014) besonders aufmerksam und stellt erfreut fest, dass sehr viel Neues und Unbekanntes zu finden ist.

Die Ausstellung „Große Geschichte der kleinen Dörfer“ ist „der Versuch einer zeitgemäßen Aufarbeitung der vorindustriellen Periode… Nicht nur den ganz zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Persönlichkeiten, auch den vielen unbekannten Bewohnern aller jetzt zum Bezirk gehörenden historischen Ortschaften, soll damit Gerechtigkeit widerfahren. Dieser bewusste Umgang mit Gegenwart und Geschichte ist eine Kulturleistung, mit der auch unser Alltag reicher und somit unsere gemeinsame Zukunft schöner wird“, schreibt Kerstin Beurich, Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur, Soziales und Sport im Geleitwort zur Ausstellung.

Schwerpunkt der Ausstellung sind die ehemaligen Dörfer des heutigen Bezirkes Lichtenberg mit ihren Ersterwähnungsdaten Friedrichsfelde 1265, Wartenberg 1270, Lichtenberg 1288, Malchow 1344, Hohenschönhausen 1352 und Falkenberg 1370.

Zwischen diesen Daten liegen nur wenige Jahrzehnte, weil alle Dörfer im Zusammenhang mit der deutschen Ostsiedlung entstanden. Bei allen Unterschieden gibt es also auch Gemeinsamkeiten in der dörflichen Geschichte. Wiewohl die Kriege gegen die Slawenfürsten zur Verdrängung und Christianisierung der slawischen Urbevölkerung einführend genannt sind, erscheint die deutsche Ostsiedlungsbewegung als recht friedvoller Prozess. Dass sie als 2. Phase der sogenannten „Ostexpansion“ der Sicherung der gewonnenen Ländereien durch Besiedlung dient, hätte eine Erwähnung verdient.Für die einzelnen Dörfer ist das Wachsen der Orte dargestellt. Zugleich werden Ereignisse, Prozesse und Personen der einzelnen Ortschaft ausgewählt, die die Einordnung in „Große Geschichte der kleinen Dörfer“ rechtfertigen, hier aber im Einzelnen nicht dargestellt werden können. Sowohl für den ortsgeschichtlichen „Hobbyforscher“, wie auch für den an der Gesamtgeschichte von Lichtenberg als Verwaltungseinheit interessierten Fachmann ist die Ausstellung unbedingt sehenswert.

Unter dem vielfältigen Bild- und Kartenmaterial fallen die kolorierten Zeichnungen der Kirchen von Wartenberg, Falkenberg, Hohenschönhausen und Lichtenberg auf. Jene von Malchow und Friedrichsfelde finden sich nur auf dem Umschlagsbild. Gezeichnet wurden die Kirchen von Heinrich Wohler. Nach Renate und Ernst Oskar Petras lebte Wohler von 1817 bis 1894 und hat vom 13. April bis 7. Dezember 1834, also im Alter von 17 Jahren, insgesamt 35 Dorfkirchen im Umland von Berlin zu Fuß erwandert, mit Bleistift gezeichnet und koloriert. Er war zu dieser Zeit vermutlich Schüler der Berliner Gewerbeschule und Seidenwirkerlehrling. Später ist er als Meister in der Berliner Innung des Seidenwirkergewerbes genannt. Die Zeichnungen von Wohler wirken naiv, sind aber detailgetreue Architekturzeichnungen. Sie zeigen die Kirchen in ihrer mittelalterlichen Gestalt, die heute verloren ist. Die Mehrzahl der Kirchen wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts vergrößert, um- oder neugebaut. Manche wurden abgerissen oder zerstört. Heinrich Wohler hat sie uns mit seinen Zeichnungen hinterlassen. Erst im Jahre 1985 wurden die Zeichnungen wieder aufgefunden, und sie sind eine einmalige Kostbarkeit der Berliner Geschichte.

Da sich die Ausstellung dem heutigen Bezirk Lichtenberg widmet und unter Einbeziehung der preußischen Reformen etwa um das Jahr 1820 endet, sind Gut und Gemeinde Biesdorf, die Gemeinden Mahlsdorf, Kaulsdorf, Marzahn und Hellersdorf als Siedlungsbereiche, die 1920 in den 17. Verwaltungsbezirk von Berlin, Lichtenberg, eingeschlossen und später wieder ausgeschlossen wurden, nicht vorgestellt. Ebenso sind Entwicklungslinien nach 1871 sowie Ortsteile, die erst nach dieser Zeit zu Lichtenberg kamen, wie Boxhagen-Rummelsburg, beziehungsweise überhaupt erst neu entstanden, wie Karlshorst, nicht erwähnt. Die Ausstellung will also keinen Überblick über die Gesamtgeschichte von Lichtenberg geben. Wer sich darüber informieren möchte, sollte zusätzlich die oben genannte Publikation von Jürgen Hofmann heranziehen.

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