Konfrontationen – Kontroversen – Konsequenzen

H.-D. Winkler

Im Februar dieses Jahres hatte die KulturNews über die damals gerade erschienene Publikation „Konfrontationen – Kontroversen – Konsequenzen“ zur Arbeit der Runden Tische im heutigen Bezirk Pankow berichtet. Autor Heiko Hübner hatte die Arbeit vorgelegt als Ergebnis vieler Jahre Projektarbeit, mit der auch durch den Kulturring Material gesichtet und Interviews mit Beteiligten und Zeitzeugen geführt wurden. Nunmehr hat sich in der Folge dieser Publikation Pfarrer i.R. Hans-Dieter Winkler, einer der Akteure des Runden Tischs Prenzlauer Berg, zu Wort gemeldet. Bis Mai 1997 hatte Winkler den „letzten“ Runden Tisch moderiert, der auf die Wendezeit im Bezirk zurückging, den Runden Tisch „Instandbesetzung“. In mehr als 50 Sitzungen „wurde über rund 60 besetzte Häuser diskutiert und größtenteils Verträge ausgehandelt“, wie die Berliner Zeitung resümierend am 31.5.1997 berichtete.

KulturNews druckt die Wortmeldung von Hans-Dieter Winkler im Folgenden ab, denn sie fügt dem Buch von Heiko Hübner ergänzende Informationen hinzu, die wir auf diese Weise der Öffentlichkeit gern zur Verfügung stellen wollen:

„Es ist sehr dankenswert, dass der Kulturring in Berlin e.V. Herrn Heiko Hübner veranlasst hat, eine Arbeit über die Runden Tische von Pankow – Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee – zu fertigen, die unter dem Titel ,,Konfrontation Kontroversen Konsequenzen“ 2012 im Eigenverlag veröffentlicht wurde. Es war sinnvoll, die Arbeit der Runden Tische in Berlin zunächst einzuordnen in die Gesamtsituation der DDR und der Stadt Berlin und ihrer gesellschaftlichen Prägungen bis zum Anfang der Neunzigerjahre. Ebenso kommen auch oppositionelle Aktivitäten unterschiedlichster Art in den Blick, die für die Umgestaltung der Gesellschaft zu einer demokratischen Ordnung einen direkten oder einen indirekten Beitrag geleistet haben. Der Rolle der Kirchen in diesem Prozess wird Herr Hübner jedoch nicht ganz gerecht. – Sicher war es für Herrn Hübner eine große Herausforderung, in der Darstellung der Arbeit der Runden Tische in Pankow und ihrer Nachwirkungen bei aller Unterschiedlichkeit der Voraussetzungen in den Stadtbezirken, ein objektives Bild zu schaffen. Das ist ihm weithin gelungen, aber einige Anmerkungen zu dem Buch seien erlaubt.

Wie schon angedeutet, eine umfassend kritische Würdigung der Rolle der Kirchen hätte ich mir gewünscht, wie ich eine solche finde etwa in der Arbeit von Herrn Bernd Roder und Frau Bettina Tacke in ,,Gegenentwürfe“, 2012, Museum Pankow. Auch ist nicht gut zu verstehen, warum Herr Hübner die Gelegenheit nicht genutzt hat, einen der vier noch lebenden Moderatoren des RTPB zu dem RTPB zu befragen. Die beiden katholischen Pfarrer, Johannes Sciesinski und Norbert Kaczmarek werden gar nicht erwähnt, dafür Dekan Peter Riedel, der aber am RTPB nicht mitgearbeitet hat sondern – wie richtig erwähnt – am Runden Tisch der Stadt Berlin. Auch war die Katholische und die Evangelische Kirche mitarbeitend am RTPB tätig, aber ohne Stimmrecht (H. Hübner S. 36).

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass der RTPB konstruktiv und nachhaltig wirken konnte:

- Ein Team von Pfarrern, das partnerschaftlich arbeitete, hat die jeweilig anliegenden Eingaben und Anliegen vor den Tagungen des RTPB gesichtet und zu einer Tagesordnung zusammengestellt, die dann vom Plenum bestätigt werden musste. So konnte sehr konzentriert und zügig gearbeitet werden bei der Fülle dessen, was bewältigt werden sollte.

- Den Pfarrern der Katholischen und der Evangelischen Kirche aus dem Stadtbezirk wurde ein Vertrauensvorschuss entgegen gebracht, wie fast überall im Lande, der sich auf das Klima der Arbeit des Runden Tisches auswirken konnte.. Solch Vertrauen war gewachsen, weil die Kirchen zur Zeit der DDR die einzigen großen, flächendeckenden Organisationen waren, die nicht dem politischen System gleichgeschaltet werden konnten. – Zugleich brachten die Pfarrer besondere Erfahrungen ein für die Moderation am Runden Tisch, weil sie demokratische Verwaltungs- und Leitungs-Strukturen aus der Praxis im Leben der Gemeinden und der Kirchen kannten.

- Die tolerante Umgangsweise miteinander am RTPB billigte jedem zu, dass man zum Wohle aller Bürger im Stadtbezirk mitwirken wolle. Dieses setzte eine Bewegung in Gang, dass schließlich der RTPB, der Bezirksbürgermeister, der Rat des Stadtbezirkes und die Stadtbezirksverordnetenversammlung zusammenarbeiteten, und dass die SBV die Beschlüsse des RTPB in die Praxis umsetzte. Es gab dafür aber natürlich auch noch andere Gründe, die Herr Hübner in seiner Arbeit aufzeigt.

Mich wundert, dass nirgendwo die Arbeit ,,Runder Tisch Instandbesetzer“ als ein Kind des RTPB in das Betrachtungsfeld gekommen ist, der ab 1990 mehr als 50 mal getagt hat, um Probleme leerstehender Wohnungen, die besetzt worden waren, ohne Gewalt auf der Straße im Stadtbezirk Prenzlauer Berg zu lösen.

Es hat nicht nur im Stadtbezirk Pankow Aktivitäten gegeben, die Arbeit der Runden Tische im Stadtbezirk Pankow aufzuarbeiten (Hübner S. 6). Im Prenzlauer Berg gab es 1992 eine ,,Projektgruppe Parteien/Kommunalpolitik“, die mit dem Ziel gearbeitet hat, eine Broschüre herauszugeben unter dem Titel ,,Der Runde Tisch Prenzlauer Berg – ein demokratisches und demokratiegestaltendes Gremium im gesellschaftlichen Umbruch 1989/1990“ . Dazu gab es im Jahr 1992 Thesen und 1994 ein unveröffentlichtes Manuskript von Frau Carola Wuttke (- nicht Claudia W. -) unter dem Titel: ,,Der Runde Tisch Prenzlauer Berg – Instrument und Symbol des gewaltfreien Umbruchs 1989/1990“, das von Herrn Hübner im Literaturverzeichnis angegeben ist als letzter Titel auf S 116. – Auch sei hingewiesen auf die Thesen zur Veranstaltung am 10.11.1999 in der Elias-Gemeinde ,,Zehn Jahre nach der Wende und Runder Tisch“ und auf eine Arbeit – erschienen 2012 mit dem Titel ,,Gegenentwürfe“ – herausgegeben von Herrn Roder und Frau Tacke –, die sich ausführlich mit der Arbeit des RTPB auseinandersetzt.

Den Teilnehmern an der Arbeit im RTPB ist sehr wohl ihre Begrenztheit in mancherlei Hinsicht deutlich gewesen, auch was die Umsetzung mancher Ideen und Beschlüsse anbelangt. Und doch waren für sie ihr zeitlicher Einsatz und ihre Arbeit ermutigend, weil sie einen Beitrag zur demokratischen Neugestaltung leisten und mit gestalten konnten, worauf sie heute dankbar zurückblicken.

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