Langes Kulturwochenende – ein Resumé

Hartmut Gering

Die Veranstalter sollten Recht behalten: Nachdem das kulturelle Menü im letzten Jahr auf Sparflamme gekocht wurde, entschloss man sich, die „Kultour à la carte“ in diesem Jahr zu einem jahreszeitlich späteren Zeitpunkt wieder voll durchzustarten. Und so zeigte sich an diesem 4. Mai zum Auftakt des langen Kulturwochenendes das Wetter bei einem lauen Lüftchen von seiner sonnigen Seite. Viele Veranstalter fühlten sich ermutigt, einen Teil ihrer Aktivitäten ins Freie zu verlagern. So auch auf dem in allen Farben blühenden Marzahner Dorfanger, wo im Hof des Kulturguts Alt Marzahn die Soziale Bücherstube erstmalig zu einem Bücherfest mit buntem Rahmenprogramm einlud. Mit ihren Aktionen wollten die Organisatoren besonders die Kinder wieder mehr an das geschriebene Wort, also das Buch, heranführen.

Gleich zwei Konzerte gab es nachmittags zur gleichen Zeit in Alt Marzahn: Zum einen im Saal des Kulturguts. Hier präsentierte die Marzahner Promenaden-Mischung unter dem Motto „Wir sind die Besten“ ihr neues, aber bereits erfolgreiches Programm mit poppigen Liedern und Tänzen für die ganze Familie. Mitsingen und Mittanzen waren angesagt bei tierischen Titeln wie dem „Waschbär-Rock“ (in originellen Kostümen) oder dem „Elefantensong“. „Gegen Einsamkeit“ schwenkten die Kinder farbenfrohe Puschel. Am anderen Ende des Angers dagegen kamen in der Dorfkirche bei einem Konzert für Orgel und Saxophon eher die Fans klassisch-moderner Musik auf ihren Geschmack. Neben Improvisationen erklangen Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy und Karlheinz Stockhausen. Gabi Huhn las dazu Texte, einen davon über den amerikanischen Violinisten Joshua Bell, Protagonist eines Experimentes der Washington Post. Wer nun pünktlich das „literarische Frühstück“ in der Mark-Twain-Bibliothek genießen wollte, brauchte selbst bei den wenigen hundert Metern dorthin flinke Füße. „Tritt ein in meinen Garten“, so das Motto der Talkrunde mit der Autorin Danuta Schmidt und der Sängerin Aurora Lacasa, in der auch handfeste Tipps für Gartenfreunde nicht fehlten.

Wen das „Zigeunerleben“ mit all seinen Licht- und Schattenseiten interessierte, war im Ausstellungszentrum Pyramide genau richtig. Nur wenige Minuten benötigt die „M6“ vom Freizeitforum Marzahn zur Riesaer Straße. Eröffnet wurde eine Ausstellung zum Thema „Typisch Zigeuner? – Mythos und Lebenswirklichkeit“, eine vom Mannheimer Kultur- und Kompetenzzentrum Romnokher für Antiziganismusforschung konzipierte Wanderausstellung. Die Schautafeln im Erdgeschoss vermitteln viel Wissenswertes zur Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland. Schon in einem Schriftstück aus dem Jahre 1550 heißt es, dass „Zigeuner erstmals 1417…in Teutschland gesehen“ wurden. Ab 1423 unter Schutz vor Übergriffen stehend, nahmen Diskriminierung und Verfolgung schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts rapide zu. Martin Luther stellte 1543 die „Zigeuner“ in negativer Auslegung mit den Juden gleich, und auch der Maler Georges de la Tour ließ in seinem 1639 geschaffenen Gemälde „Die Wahrsagerin“ die „Zigeuner“ als Diebe und Betrüger im negativen Licht erscheinen.Zwei Musiker des Ensembles Zigan-Tzigan umrahmten musikalisch mit Geige und Gitarre die Veranstaltung. Verstärkt, in vierköpfiger Besetzung, begeisterten sie wenig später bei einem Live-Konzert mit Liedern der Sinti und Roma aus ganz Europa das zahlreich erschienene Publikum.

Zur gleichen Zeit hatte das Konzert mit den „Raising Voices“, einem Jugendchor des Sartre-Gymnsiums, vor allem junge Gäste in die Krankenhauskirche im Wuhlgarten gelockt. Gospelsongs, Soul, Jazz und Rock versetzten im bis auf den letzten Platz gefüllten Gotteshaus Jung und Alt gleichermaßen in eine Riesenstimmung. Auch Taize-Gesänge, begleitet von E-Piano und Schlagzeug, brachte der Chor zu Gehör. Solistische Einlagen, so mit einem Saxophon-Duo oder einer Gitarristin, ließen den energiegeladenen Sängerinnen und Sängern auch mal eine Verschnaufpause. Der Abend klang romantisch aus auf dem Marzahner Dorfanger mit „Zeitleuchten“, einer Licht- und Klanginstallation. Das Innere der mit einbezogenen Dorfkirche erstrahlte in Türkis-, Violett- und Blautönen.

Auch der Sonntag bot viele Attraktionen, so wurde im Galerie Café CP am Vormittag die Ausstellung “O.T.“ (ohne Thema) eröffnet. Neun Künstler einer seit mehreren Jahren bestehenden Galeriegemeinschaft stellten ihre neuen Werke vor. „In einer spannenden Unterhaltungsrunde wurden die Künstler von vielen hochinteressierten Gästen manchmal regelrecht ausgequetscht“, meinte Hausherrin Christel Bachmann, ebenfalls Mitglied der Künstlergruppe. Zu einem Publikumsmagneten avancierte an diesem Tag das Theater am Park mit zahlreichen Events. Im Theatergebäude sind sowohl die Ballettschule Szylvia Wolf als auch die Tanzschule Balance Arts beheimatet. „Meine jungen Mädchen präsentierten zur Mittagsstunde in einem kleinen Showprogramm eine breite Palette ihrer tänzerischen Fähigkeiten. Das Repertoire reichte von der klassischen Tschaikowski-Serenade über die Pizzicato-Polka bis zu einer Swing-Nummer von Benny Goodman“, so Szylvia Wolf von der Ballettschule. Am Nachmittag bot die Tanzschule Balance Arts zu ihrem Tag der offenen Tür ein abwechslungsreiches Programm zum Schnuppern, Kennenlernen, Zuschauen und Mitmachen, mit Tanzpaaren der Tanzschule. Die Besucher konnten sich in Tänzen wie ChaChaCha, Discofox oder Langsamer Walzer ausprobieren. Ein Höhepunkt: Die Shows des Tango Argentino Paares Oona und Timo

Zu gleicher Stunde lud das Kulturforum Hellersdorf zu einem Konzert mit dem Männerchor Eintracht 1892 e.V. Berlin-Mahlsdorf ein. Auf dem unterhaltsamen Programm standen vor allem Volkslieder und Musical-Melodien, aber auch Lieder der Comedian Harmonists wie „Wochenend und Sonnenschein“.

So klang ein ereignisreiches Wochenende mit großer Publikumsresonanz aus, und jeder Besucher konnte eine Fülle von Eindrücken und Erlebnissen mit nach Hause nehmen. Freuen wir uns auf die Kultour à la carte 2014!

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