Kultur – von allen für alle

Lutz Wunder / Ingo Knechtel

Das sagten sich die kulturellen Akteure im östlichsten Berliner Bezirk, in Marzahn-Hellersdorf, und bereiten nun schon zum achten Mal die lange Kulturnacht „Kultour à la carte“ vor. Um die 30 Einrichtungen des Bezirks – nahezu alle, die sich Kultur in einer ihrer vielen Facetten auf die Fahnen geschrieben haben – sind mit von der Partie. Das Programm am 4. und 5. Mai ist so vielfältig, dass der erwartungsvolle Besucher ganz sicher das Richtige findet. Denn es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Es gibt Vorträge und Führungen, Workshops und Performances, Tanz, Musik und Konzerte, Lesungen, Malerei, Keramik und Ausstellungen, Film und Theater.

Auch in diesem Jahr hat die Veranstaltung – obwohl nun schon langjährige Tradition – wieder Programme zu bieten, die auch die „alten Hasen“ unter den Besuchern erneut neugierig machen werden. Einmal sind es die jeweils wechselnden Beiträge der kulturellen Orte und Einrichtungen, die ebenfalls langjährige Teilnehmer und Mitgestalter des Events sind. Auf diese Angebote im KulturGut Alt-Marzahn, im Kulturforum Hellersdorf, im Ausstellungszentrum Pyramide, im Theater am Park, im Tschechow-Theater, im Freizeitforum Marzahn, um nur einige zu nennen, freuen sich sicher die erfahrenen Stammbesucher.

Ein Höhepunkt mit deutlichem Bezug zum Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ will auch im Rahmen der „Kultour à la carte“ klare Akzente setzen. Es handelt sich um die bemerkenswerte Ausstellung unter dem Titel „Typisch Zigeuner ? - Mythos und Lebenswirklichkeiten“ im Ausstellungszentrum Pyramide in der Riesaer Str. 94. Diese zuvor schon in München und Stuttgart gezeigte Ausstellung widmet sich einem noch zu wenig thematisierten Gegenstand. Fragt man heute Menschen in Deutschland, was ihnen zu Sinti und Roma einfällt, dann sind sie mit ihrem Latein bald am Ende. Fragt man sie, was ihnen zu „Zigeunern“ einfällt, so kommt eher eine Sammlung alter Vorurteile zusammen. Daneben gibt es auch eine unangemessene Romantisierung in Bildern und Liedern.Antiziganismus, also Vorurteile und (un)bewusste Abneigung gegenüber Sinti und Roma bis hin zur Missachtung ihrer Menschenwürde, ist nach wie vor mitten in der Gesellschaft vorhanden und vereinzelt immer noch tief verwurzelt. Durch den vermehrten Zuzug von Roma nach Berlin, auch nach Marzahn-Hellersdorf, in den letzten Jahren wird dieses Phänomen auch bei uns zunehmend sichtbar. Die Ausstellung in der Pyramide wurde von Daniel Strauß vom Haus für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung Romnokher in Mannheim herausgegeben und von Dr. Udo Engbring-Romang konzipiert und umgesetzt. Sie lädt zur fundierten Auseinandersetzung mit dem Thema ein. So dokumentiert sie nicht nur auf vielfältige Weise „Zigeunerbilder“ aus Literatur, Musik, Malerei und Film, sie informiert auch über die Geschichte der Sinti und Roma und beleuchtet den Antiziganismus in Politik, Wissenschaft und Institutionen. In einem zweiten Teil wird auf die heutige Situation, die Lebenswirklichkeiten von Sinti und Roma, mit besonderem Schwerpunkt auf die Bildungssituation eingegangen. Zu Ausstellungseröffnung am 4. Mai, 17 Uhr, hat sich die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau (Linke) angekündigt. Von 19 bis 21 Uhr spielt Zigan-Tzigan in einem Konzert Musik der Sinti und Roma. Um 21.30 Uhr wird der Spielfilm „Das Zigeunerlager zieht in den Himmel“ (SU, 1976) gezeigt. Am Sonntag, dem 5. Mai, 15.00 Uhr, führt David Weiss von Romnokher durch die Ausstellung, die noch bis zum 7. Juni zu sehen ist.

Der Kulturring in Berlin e.V. beteiligt sich mit seinen Einrichtungen auch in diesem Jahr an der „Kultour à la carte“. Im Kulturforum Hellers-dorf wird es beispielsweise ein märchenhaftes Angebot im Rahmen der Langen Nacht der Familie geben – natürlich mit kulturellen und kreativen Angeboten für die ganze Familie mit einer Märchenerzählerin u.v.m.. Am Sonntag gibt es dann eine international besetzte musikalische Matinee mit dem Titel „Frühlingsmelodien von Paris über London bis nach Berlin“, und am Nachmittag musiziert der bekannte Männerchor Eintracht Mahlsdorf. Im Tschechow-Theater erleben die Besucher das Kinderprogramm „Singt und spielt mit Heike“ am Sonnabendnachmittag und am Abend das Programm „Miteinander Reden – Lieder und Gespräche mit Julia Axen“. Am Sonntagnachmittag wird das Kabarettprogramm „Das Blaue vom Himmel – das Gelbe vom Ei“ mit den Kabarettisten Margit Müller und Michael Bootz von den „Oderhähnen“ präsentiert. Neugierig machen die Angebote von Künstlern und Einrichtungen, die zum ersten Mal an der langen Kulturnacht teilnehmen: Das Papiertheater, das Bücherfest in der Sozialen Bücherstube, das Atelier MP 43, das Atelier Uffrecht, die Freiwilligenagentur Marzahn-Hellersdorf, die Jugendfreizeiteinrichtung Anna Landsberger, der Kiezpark FortunaDa werden die Besucher mit ihren Programmen überraschen. Aber auch Neues von langjährigen Teilnehmern können wir empfehlen: die Licht- und Klanginstallationen im Dorf Marzahn von Andreas Pirl, das Konzert in der Kirche Alt-Marzahn, die Ausstellung im Galeriecafe CP, die Angebote in der Krankenhauskirche im Wuhlegarten, das Programm im Stadtteilzentrum Schloss Biesdorf. Das Programmheft ist prall gefüllt, man bekommt es an den verschiedensten Orten des Bezirks – in den Bürgerämtern und in allen teilnehmenden Einrichtungen. Eine für alle Veranstaltungen im Rahmen der „Kultour“ gültige Eintrittskarte kann in jeder Einrichtung erworben werden, im Vorverkauf und natürlich auch an der Abendkasse.

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