Skandal in der Berliner Arbeitsförderung
Die Hauptstadt ist cool, Berlin ist sexy und arm. Berlin ist ein Magnet für Viele, für Touristen aus dem In- und Ausland, für Glücks- und Arbeitssuchende. Berlin liegt in der Arbeitslosenstatistik ganz hinten. Glücksritter haben hier Hochkonjunktur. Berlin vergeigt Millionen beim Versuch, einen Flughafen zu bauen und die Staatsoper zu renovieren. Aber weder der Bund noch die EU haben Berlin aufgegeben. Zum Glück, muss man sagen.Gerade kam ein neuer Skandal in die Schlagzeilen, der deutlich macht, wie die Berliner Uhren ticken. In der Hauptstadt gibt es 12 Jobcenter, eins für jeden Bezirk. Im Jahr 2012 standen diesen Jobcentern 416,6 Millionen Euro zur Verfügung, um Jobsuchenden die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das ist bei einem Gesamtbudget von 772,3 Millionen eine beachtliche Summe. Und als jetzt die Zahlen auf den Tisch kamen, stellte sich heraus, dass 2012 ganze 71,7 Millionen Euro von diesen Geldern nicht ausgegeben wurden.
Na ja, könnte man sagen, wurden eben nicht gebraucht, konnte man einsparen, ist doch gut so. Schaut man sich jedoch die Erwerbslosenzahlen an, reibt man sich verwundert die Augen? Nicht gebraucht? Da gab es schon nahezu ausschließlich 1-Euro-Jobs im letzten Jahr in der Folge der sog. Instrumentenreform. Man hätte mehrere Tausend solcher Stellen zusätzlich schaffen können und hat dies einfach nicht getan. Lieber wurde das Geld zurückgegeben. Prompt kommt die Antwort von der zuständigen Regionaldirektion der Arbeitsagentur, die Jobcenter seien „gehalten“, Geld für sinnvolle Maßnahmen auszugeben, die zu einem Job führten. Klar ist aber auch, dass diese Maßnahmen an sich selten zu Jobs führen, dass sie allerdings – und das ist vom Gesetzgeber beabsichtigt – eine Teilnahme der Betroffenen am Arbeitsleben ermöglichen und viele von ihnen wieder an einen strukturierten Tagesablauf heranführen sollen. Dabei werden durchaus sinnvolle Arbeiten erledigt, die im Interesse der Gemeinschaft liegen. Viele Träger solcher Maßnahmen erhielten auf wiederholte Nachfragen im vergangenen Jahr die stets gleichlautende Antwort: Leider gibt es keine Mittel für weitere Maßnahmen.
Vom Land Berlin standen im letzten Jahr zudem noch zur Kofinanzierung stolze Summen aus dem Landeshaushalt und als ESF-Mittel der EU zur Verfügung, von denen weitere 27,8 Millionen Euro nicht ausgegeben wurden. Und schon sind 100 Millionen Euro, mit denen sehr Sinnvolles hätte entstehen können, einfach verpufft.Schaut man sich die Zahlen der Jobcenter im einzelnen an, so stellt man fest, dass kein Jobcenter seine Mittel für die Eingliederung zu über 90 % ausgelastet hat. Am schlimmsten war die Lage in Neukölln, gerade dem Bezirk, wo „die Not am größten ist“. Unweigerlich fällt der Bestseller-Titel des Bürgermeisters „Neukölln ist überall“ ein. Mit zurückgegebenen 17,3 Millionen € ist das dortige Jobcenter Spitzenreiter beim Sparen! Frau von der Leyen macht einen Dankesknicks. (Die Fakten liefert eine Tabelle des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe, die wir im Original auf Seite 24 abdrucken.)
Wen wundert es da, dass die Deutschen immer mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Land vermissen? Nach einer Umfrage des Allensbach-Instituts (Berliner Zeitung vom 15.2.13) beurteilen nur 15 % der Befragten die wirtschaftlichen Verhältnisse bei uns als gerecht. Gefragt, ob die soziale Gerechtigkeit in Deutschland in den letzten drei, vier Jahren zugenommen oder abgenommen hat oder ob sie gleichgeblieben ist, antworteten 64 %, sie habe abgenommen. Die Politiker werden dafür verantwortlich gemacht, und da wird manch einer von ihnen Sorgenfalten angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen bekommen.