„Konfrontationen – Kontroversen – Konsequenzen“

Hannelore Sigbjoernsen

Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee – unterschiedlicher können drei Ortsteile Berlins, die 2001 zum Großbezirk Pankow zusammengefasst wurden, kaum sein. Das machte schon den Umgang mit seinen Einwohnern vor 1989 nicht einfach. Dabei war das von der DDR-Staatspartei SED dominierte Verwaltungssystem eigentlich so angelegt, dass alles hätte wohl funktionieren müssen und sollen, dass kein Schlupfloch für Aufmüpfigkeit, neue Ideen oder gar kreatives Handeln in den vorgegebenen Strukturen bleibt. Aber gerade in Pankow, dort, wo die Regierung wohnte – gewissermaßen unter ihren Augen –, entwickelte sich schon in den 1970er Jahren ein kirchlicher Widerstand gegen die Obrigkeit, der über die sozialistische Hauptstadt hinaus beispielgebend und ermutigend wirkte. Im damals wie heute noch fast ländlich wirkenden Weißensee fand man sich ebenfalls in der Kirche zusammen und diskutierte über zwingend notwendige Veränderungen des in sich erstarrten Machtgefüges. Und gar in Prenzlauer Berg, dessen maroder Häuserbestand mit seinen Hinterhöfen längst nicht mehr verwaltbar war… Selbst die in Diskussionsrunden eingeschleusten Stasileute konnten den erstarkenden Widerstand nicht verhindern. Als im Winter 1989 staatlicherseits versucht wurde, mit Hilfe „Runder Tische“ Dampf aus dem Kessel zu lassen, dem Volk eine Spielwiese zu bieten, auf der es seinen Veränderungswillen austoben konnte, war es zu spät. Die Mauer war gefallen, das Spiel wurde durchschaut, die Wahlfälschung vom Mai 1989 öffentlich. Tricksereien, trotzdem das Oben mit neuen alten Köpfen zu erhalten, funktionierten nicht mehr. In Pankow flog der SED-Bürgermeister raus, in Prenzlauer Berg wurde kein guter Genosse, sondern ein Fachmann Stadtbezirksrat, in Weißensee erzwang man sich Zutritt in ein Objekt der Staatssicherheit.

An den Runden Tischen der drei Bezirke wurde hart gearbeitet, schonungslos gestritten, konkret gehandelt. Wieder, wie schon in der Tafelrunde bei König Artus, hatte jeder eine Stimme, niemand das Sagen an sich, fand man gleichberechtigt zu gemeinsamen Lösungen. Wieder bewährte sich der Runde Tisch als das Instrument, das die Guillotine ersetzte und im Frühjahr 1990 im Osten Deutschlands den Weg zu demokratischen Strukturen ebnete.

All das ist nachzulesen in der von Haiko Hübner akribisch aufgearbeiteten Dokumentation „Konfrontationen – Kontroversen – Konsequenzen“ über die Arbeit an den Runden Tischen in Berlin-Pankow. Ihre Besonderheit zeichnet sich darin aus, dass mit dem Einstieg über die Verwaltungsgeschichte der DDR deutlich wird, welche demokratischen Chancen mit der DDR-Gründung eigentlich gegeben waren, was aber durch die Arroganz der SED-Mächtigen und Moskauhörigen verbogen und verhindert wurde, und was an den Runden Tischen wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden musste.

Es zeichnet den Kulturring aus, dass aus vielen seiner Projekte konkrete und vorzeigbare Ergebnisse entstehen. Die vorliegende Broschüre ist bester Beweis für die immer wieder eingeforderte Nachhaltigkeit von Projektarbeiten. Sie wird immer lesenswerter werden, je mehr die Umstände dazu beitragen, das Wirken der Protagonisten von 1989/1990 zu verdrängen und zu vergessen.

ISBN 978-3-9814590-5-0, 116 S., 7,50 €, bestellung@kulturring.org

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