Altlandsberger Stadtgeschichte zum Anfassen

Hartmut Gering

Der Name Friedrich I. – erster König in Preußen – dürfte zumindest Geschichtsinteressierten geläufig sein, aber wem sagt der Name Otto Freiherr von Schwerin etwas? Beiden gemeinsam ist, dass sie im Barockzeitalter in Altlandsberg, einem beschaulichen Städtchen nur wenige Kilometer östlich der Berliner Stadtgrenze, ihre Spuren hinterließen. Von Schwerin – ein einflussreicher Staatsmann am Brandenburgischen Hof – verhalf der vom 30jährigen Krieg gepeinigten Stadt zu einem bis dahin nicht dagewesenen Aufschwung.

Am südlichen Stadtrand, direkt am Berliner Torturm, entstand wieder das im 30jährigen Krieg zerstörte Hospital, mittels einer von ihm selbst gegründeten Stiftung. Im 1879 errichteten Nachfolgebau der Schwerinschen Stiftung hat vor elf Jahren der 1998 gegründete Heimatverein Altlandsberg e.V. – ein Partnerverein des Kulturrings im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes – sein Domizil gefunden. Seit April 2012 selbst Eigentümer des Hauses, hat er nicht nur einen maßgeblichen Anteil zur Dokumentation der Geschichte Altlandsbergs geleistet, sondern mit seinen Aktivitäten wesentlich das kulturelle Leben der Stadt bereichert.

„Wir als Heimatverein wollen nicht nur Geschichte chronologisch aufarbeiten und dokumentieren, sondern sie für Einheimische wie für Gäste erlebbar machen“, so Vereinsvorsitzender und Hobbyhistoriker Prof. Dr. Hartmut Niedrich, übrigens Ehrenbürger der Stadt. Und das machen seine ausschließlich ehrenamtlich tätigen Mitstreiter mit Bavour!

Schon in den Räumen der im Haus eingerichteten Ausstellung fühlen sich Besucher um mindestens 100 Jahre zurück versetzt. Da gibt es eine Wohnstube mit einem prächtigen Kachelofen (vor 1900), eine Küche mit Kochherd (1879), eine Waschküche sowie ein Schulzimmer mit harten Holzbänken. Ganz viele gesammelte Einrichtungsgegenstände warten auf dem Dachboden darauf, in einer der wechselnden Sonderausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

Derzeit sind Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten im Haus im Gange. Für die Erneuerung der zwölf Fenster konnte neben mehreren Bürgern die Altlandsberger Filiale der Sparkasse Märkisch Oderland als Sponsor gewonnen werden.

Auch im Erscheinungsbild der Stadt sind die Aktivitäten des Vereins sichtbar, so wurden das verfallene Gutshaus (1883) gesichert (und danach von der Stadt zu einem soziokulturellen Zentrum ausgebaut), Sitzgruppen und ein Lehrpfad am Wallgraben geschaffen. Informationstafeln an der Schlosskirche erinnern an die Stadtgeschichte und das Wirken Ottos von Schwerin, der an dieser Stelle auch mit einer Büste gewürdigt wird. An der künftigen Umgestaltung der nach dem Auszug der Kunstglaserei von der Stadt erworbenen Schlosskirche zu einer Kulturstätte will sich der Verein ebenfalls beteiligen.Das kulturelle Leben der Stadt ist heute ohne die rührigen Vereinsmitglieder kaum noch denkbar. Im Vereinsgebäude gibt es jeden ersten Mittwoch im Monat einen Stammtisch zu unterschiedlichsten Themen der Zeitgeschichte, zu dem alle interessierten Bürger eingeladen sind. Sehr beliebt: Die sonntäglichen stadtgeschichtlichen Führungen einmal monatlich im Sommerhalbjahr (im Winter auf Anmeldung), bei denen selbst alteingesessene Altlandsberger immer wieder Neues über ihre Stadt erfahren. Die Stadtführer präsentieren sich bei schönem Wetter in historischen Kostümen.

Dank Horst Hildenbrand verfügt Altlandsberg über eine Attraktion, die bestimmt nur wenige Orte vergleichbarer Größe zu bieten haben: Einmal monatlich an einem Freitagabend dreht er als Nachtwächter seine Runden, und das bei Wind und Wetter, natürlich im zünftigen Kostüm. Auch hier gibt es für die Teilnehmer stets etwas Neues zu entdecken. Begleitet wird er von Albert Hübner, Mitarbeiter im Bundesfreiwilligendienst. Der alteingesessene Altlandsberger Ofensetzer hat als „Öffentlichkeitsarbeiter“ in der Stadt auch für ganz detaillierte Fragen über seine Heimatstadt ein offenes Ohr. Weiter betreut er den auf dem Vereinsgrundstück stehenden Berliner Torturm, der gegen eine Spende bestiegen werden kann, und pflegt den Mauergarten hinterm Haus. Hier befindet sich der älteste und geschichtsträchtigste Teil der knapp 1,5 Kilometer langen Stadtmauer: Steinerne Zeugen der Frühgeschichte der Stadt sind die Reste eines Steinhauses, an dessen abgebrochenem Giebel der Turm errichtet wurde, wovon heute vom Mauergarten aus noch Spuren zu sehen sind.

Dieser war auch Hauptschauplatz des ersten Tages der offenen Tür am 1. Juli dieses Jahres. Neben der Besichtigung aller Räumlichkeiten konnten die Besucher sich im Garten von einem Akkordeonspieler musikalisch unterhalten lassen, für Stärkung mit Speis und Trank war ebenfalls gesorgt. Die gelungene Premiere wird im nächsten Jahr auf jeden Fall wiederholt.

Zu den Höhepunkten im Vereinsleben gehören zweifelsohne die Fahrten in Städte mit historischem Stadtkern. So ging die Reise schon nach Templin, Angermünde oder Ziesar.

Zu zahlreichen städtischen Veranstaltungen wie dem Vogelscheuchenmarkt im September, dem Historischen Markt Mitte Oktober oder dem Weihnachtsmarkt präsentiert sich der Heimatverein den Gästen mit einem eigenen Stand. Viel ließe sich noch über die Arbeit seiner Mitglieder erzählen… Ein Ausflug nach Altlandsberg lohnt sich wirklich! Am 29. März 2013 ist Saisonauftakt mit dem Nachtwächter, und am Ostermontag beginnen die stadthistorischen Führungen.

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