Religion –

Ingo Knechtel

ist sie fanatisierend und berauschend, weil um ihretwillen Menschen wie blind einem vermeintlichen Prediger gehorchen? Oder ist sie, wie Heinrich Heine 1840 schrieb, dazu da, „dem leidenden Menschengeschlecht in den bittern Kelch einige süße, einschläfernde Tropfen“ zu gießen, etwas „geistiges Opium, einige Tropfen Liebe, Hoffnung und Glauben“? Mit dem Glauben, dem Glauben an einen Gott, hat Religion immer zu tun. Unter Berufung auf Religionen wurden und werden Kriege geführt, Opfergaben gebracht, Kunstwerke geschaffen und Paläste gebaut. Manchmal werden ihre Götter oder deren Prediger nicht nur angepriesen, sondern auch karikiert oder im schlimmsten Falle würdelos verspottet. Die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar, das ist Gesetz. Und solange es überall auf der Welt Menschen gibt, die an einen Gott glauben, wird es auch Gott oder Götter geben. Und diesen Glauben gilt es zu respektieren und zu schützen. Auch die Nichtgläubigen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Überzeugung und ihre Weltanschauung respektiert und geschützt werden. Alternative Lebensweisen bestimmen heute immer mehr das Zusammenleben von Menschen. Religionen müssen um ihres Überlebens Willen auf Entwicklungen, auf das Leben reagieren. Kondome waren lange ein Tabu in der katholischen Kirche, inzwischen werden sie nicht mehr verteufelt. Warum ist jüdisches Leben ohne Beschneidung nicht vorstellbar? Muss eine Religion über einen Menschen und seine körperliche und seelische Verfasstheit bestimmen dürfen? All das sind spannende Fragen, die eines breiten gesellschaftlichen Diskurses wert sind. Ihn ohne Vorbehalte, mit Respekt und Toleranz führen zu dürfen, erwarten wir von allen Beteiligten und Interessierten. Schmähvideos, Hasspredigten und Gewalt leisten dazu keinen Beitrag. Keine Verbote, aber Freiheit und Verantwortung sowie Durchsetzung unserer Gesetze sollten eine Atmosphäre des Dialogs, der Kultur und des kulturvollen Umgangs miteinander schaffen.

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