„Man sieht nur mit dem Herzen gut.“

Dr. Reinhardt Gutsche

Hat es nicht etwas erfreulich Symbolisches, wenn die erste Personalausstellung eines jungen Künstlers aus dem tiefsten Bayern ausgerechnet von einer Galerie namens OstArt ausrichtet wird? Als Klaus Schiffermüller 1982 im niederbayrischen Kelheim geboren wurde, hätte ihm dies wohl niemand an der Wiege zu prophezeien gewagt, so wenig wie seinen späteren Studienort Berlin-Weißensee.

„Pinker“ nannte er das Motto seiner Exposition, die bis Mitte August in der Galerie des Kulturrings in der Berliner Giselastraße zu sehen war. Die Assoziationen zu „Punker“ oder „Banker“ sind vielleicht gar nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen, sondern wohl mit Bedacht einkalkuliert und verweisen auf den farblichen Grundton seiner Bilder, in denen in der Tat das modisch-teenihafte Pink dominiert, für sich selbst dabei in gleichermaßen bewusst abgrenzender wie hinweisender Wortschöpfung demonstrativ reklamierend, ein eher friedfertig-harmonisierender denn ein antibürgerlich-provozierender oder gar raffgieriger, Schlips tragender Zeitgenosse zu sein. Dafür sprechen auch die gediegenen, unaufgeregten Ausbildungsstationen im Curriculum des jungen Bayern: Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Stipendiat des bayerischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Sommerakademie in Salzburg, Meisterschüler bei Professor Rolf-Gunter Dienst, Kunsthochschule Berlin-Weißensee (bei Professor Antje Majewski), Diplomabschluss für freie Malerei, seit einem Jahr freischaffender Maler in der neuen Kunstmetropole Berlin.

Was es nun mit dem Pink als kunsthistorischem Phänomen auf sich hat, dies erläuterte die Regensburger Kunst- und Literarhistorikerin M.A. Stephanie Rappl in ihrer gleichermaßen anregenden wie sympathieträchtigen Laudatio bei der Vernissage am 18. Juli. Danach sei Pink kunsthistorisch betrachtet eine noch sehr „junge“, erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts verwendete Farbe. Von der englischen Bezeichnung für Nelken abgeleitet, sei sie gleichsam ein Synonym für Leben, Gesundheit und Natur. Bis ins 20. Jahrhundert hinein habe der Farbton zunächst für Virilität gestanden, ehe er später als „Mädchenfarbe“ die Traum- und Scheinwelten der Teenager-Kinderzimmer mit ihren Barbie-Puppen und der Prinzessin Lillifee kolorierte. Die Laudatorin erinnerte an die Designerin Elsa Schiaparelli, die sich bereits vor mehr als 80 Jahren mit diesem Farbphänomen beschäftigte und dessen Signalwirkung als „plakativ, schrill, laut und dominant“ beschrieben hatte. Dieser Signaleffekt reiche dabei vom Träumerisch-Märchenhaften bis hin zum Obszön-Pornographischen.

Wer nun nach dieser farbsemiotischen Einordnung in der Ausstellung ein schrilles Feuerwerk plakativer Oberflächlichkeit oder eine seichte Schweinchen-Babe-Sauce erwartete (oder befürchtete), wurde enttäuscht oder angenehm überrascht, je nach persönlicher Präferenz. Zu sehen waren vielmehr sensible und sehr individuelle, bis an die Grenze zum Abstrakten gehende Landschaftsstudien, dargebracht auf dem eher klassischen Medium der Leinwandmalerei. Im Gespräch legte der Künstler Wert auf die Klarstellung, dass sich alle seine Motive auf ganz reale Landschaften und persönliche Blickerlebnisse gründen, ob sie sodann nun en plein air oder aus dem Gedächtnis alla prima im assoziierenden Spiel von Farbe und Licht in diese sehr impressiven Farb-Ge-Bilde verwandelt wurden. Jede der nachempfundenen Landschaftsmotive sei konkret lokalisierbar. Die Laudatorin sieht darin ein sehr individuelles und originelles Verfahren des Künstlers, sich am Widerstand des Realen gleichsam reibend, im Spiel der Farbharmonien das Wahrnehmbare subjektiv zu brechen und zu rekonstruieren. Das Ergebnis sind immer wieder überraschende, „beinahe traumwandlerische Impressionen von zeitloser Schönheit“, wie die Laudatorin zutreffend beschrieb.

Ob dies nun „ganz hervorragend zum Zeitgeist des angebrochenen 21. Jahrhunderts“ mit seiner „Pluralität von virtuellen, individuellen Realitäten“ passe, wie Stephanie Rappl deutete, sei dahingestellt. Dieser mehr als suspekte, schwammige Topos der postmodernen Beliebigkeit scheint mir dann doch selbst zu „beliebig“ und unverbindlich, als dass diese sensiblen und letztlich sehr subjektiv-identifizierbaren Landschaftsblicke Klaus Schiffermüllers zu dessen Illustrierung taugten. Viel eher scheint doch der berühmte Satz von Antoine de Saint-Exupéry aus seinem Klassiker „Der Kleine Prinz“ den Nerv dieser Bilder und den Impuls ihres Schöpfers zu treffen, an den sich Stephanie Rappl zu Recht erinnert fühlt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Nein, „plakativ, schrill, laut und dominant“ sind diese Bilder Klaus Schiffermüllers ganz und gar nicht, wie der Titel „Pinker“ befürchten ließ, ganz im Gegenteil, eher wohltuend einfühlsam, still und diskret. Man darf auf die nächste Ausstellung gespannt sein.

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