Meine Lange Nacht „Wort & Bild“ – eine Einladung

Antje Mann

„Wer die Wahl hat, hat die Qual!“ Das könnte auch als Motto für Besucher der Langen Nacht der Bilder in diesem Jahr gelten. Wie soll denn ein noch so enthusiastischer, der Kunst zugetaner und sportlich durchtrainierter Mensch dieses Programm schaffen? An 111 Veranstaltungsorten in Lichtenberg und Friedrichshain geht in Sachen „Kunst“ für ca. 33 Stunden „die Post ab“, d.h. vom Samstag (15.9.) 15 Uhr bis Sonntag (16.9.) 24.00 Uhr. Um aber keine Panik aufkommen zu lassen, hier ein Tipp, gelassen durch die Lange Nacht zu wandeln. Falls Sie das Programmheft nicht in gedruckter Form in den Händen halten, auf www.kulturring.org können Sie es sich ansehen und auch downloaden.

Am Nachmittag des 15. geht es los. Wie wäre es, die Tour in Hohenschönhausen zu beginnen? Fahren Sie mir der S-Bahn dorthin. Die Jugendkunstschule in der Demminer Straße 4 bietet ein Programm zum Thema „Kunst macht klug“, gezeigt werden Ergebnisse aus den Kursen und Workshops der Malerei, Grafik, Bildhauerei, Plastik, Keramik, Textilkunst, s/w Fotografie, digitalen Bildbearbeitung sowie Tanz und darstellendes Spiel. Auch die Dozenten stellen ihre Arbeiten aus, und in den Werkstätten kann man selbst seine kreativen Fähigkeiten in Miniworkshops testen. Danach gibt es einen Kaffee oder ein kaltes Getränk zum Erfrischen im Hofgarten.

Nun geht es weiter in die evangelische Kirche zu Wartenberg in der Falkenberger Chaussee 93, hier sind Ikonen von Ingrid Ripka zu bewundern. Genießen Sie die Stille an dem überaus passenden Ausstellungsort für ihre Kultbilder der orthodoxen Kirche mit den biblischen Darstellungen. Im Übrigen ist die lebendige Gemeindearbeit der Kirche eng mit der Kunst verbunden, es gibt Kindermusicals und Sternsingen oder auch Aktionen für Jugendliche, die an Kunstprojekten teilnehmen können. Erwachsene können sich bei Chorveranstaltungen, Seniorenkreisen, offenem Singen oder beispielsweise Gemeindefahrten engagieren.

Haben Sie nun Lust auf eine kleine musikalisch-literarische Einlage? Dann folgen Sie mir in die Galerie 100 in der Konrad-Wolff-Str. 99. Unter dem schönen Titel “…und grüß mich nicht Unter den Linden“ liest um 18 Uhr die Schauspielerin Christine Poils Gedichte und Ausschnitte aus Heinrich Heines berühmten Briefen der Berliner Jahre. Dazu erklingt romantische Klaviermusik von Schubert, Schumann und Mendelssohn-Bartholdy. Zu sehen ist eine Ausstellung von Jutta Mirtschin.

In der Gärtnerstraße 7 erweckt ab 19.30 Uhr blaues Licht eine alte Kapelle zu neuem Leben. Wagener & Wagener lassen zu ihrer Lichtinstallation Worte in den Raum sprechen, die Lichtenbergern eingefallen sind, wenn sie an eine blaue Stunde denken, d.h. an die Zeit zwischen Tag und Nacht, zwischen Hektik und Ruhe. Genießen Sie diese blaue Stunde und verweilen Sie an diesem Ort zwischen Tag und Nacht.

Nun folgen Sie mir an einen ungewöhnlichen Ort für ein Künstleratelier. Bärbel Malek hat ihre Textilwerkstatt im Hochhaus in der 6. Etage der Leuenberger Straße 12 in einer kleinen Einzimmerwohnung. Alle Wände, selbst die Küchenmöbel, sind mit ihren Arbeiten aus Papier, textilen Stoffen und Naturmaterialien behängt und belegt. Es herrscht eine angenehme, wohlige Atmosphäre in dieser kunstvollen Enge – eine nette Gelegenheit für einen Schwatz bei Kaffee oder Tee mit der freundlichen Gastgeberin.

Nun aber auf nach Lichtenberg! An der Siegfried- /Ecke Herzbergstraße (Nr. 55) steht ein altes Fabrikgebäude, in das quirliges Leben eingezogen ist. Die frühere Margarinefabrik „Berolina“, aus gelb-rot Ziegeln errichtet, war ehemals ein Schmuckstück Berliner Industrie-Architektur mit Erkern, Türmchen und Rundbögen. Der Komplex steht heute unter Denkmalschutz. Die Eigentümer sanieren das baufällige Gebäude samt Gelände Stück für Stück, und neben Gewerbetreibenden füllen etwa 100 Künstlerinnen und Künstler die Räume in dem riesigen Haus und gehen ihrer Arbeit nach. Es sind Bildhauer, Plastiker, Holzschnitzer darunter, Maler, Zeichner und Grafiker, ein Architekt, Video- und Performancekünstler, sie vernetzen sich untereinander, es entstehen spontan Arbeitsgemeinschaften. Die Kunstschaffenden vertreten gegenständliche ebenso wie abstrakte Ansätze, minimalistische wie opulente Stilrichtungen, gestische wie mathematisch abgezirkelte Herangehensweisen. Diese Vielfalt ist Programm und soll noch größer werden. Gezeigt wird an diesem Abend eine große Gruppenwerkschau und der Skulpturengarten.

Um 17 Uhr hat an diesem Ort die offizielle Eröffnung der Langen Nacht stattgefunden mit wichtigen Personen aus Politik und Wirtschaft, wie Vertretern der Bezirksämter Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg, der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE und der Sparda-Bank, ohne deren Unterstützung wir heute nicht durch die Lange Nacht der Bilder schlendern könnten.

In der Nähe des S- und U-Bahnhofs Lichtenberg hat die Malerin Silke Konschak ihr Atelier. Das Objekt in der Hagenstraße 1 teilt sie in glücklicher Symbiose mit einer GmbH, die hier Büroräume nutzt. Es zeigt sich einmal mehr, wie Wirtschaft und Kunst sich gegenseitig ergänzen und unterstützen können. Da der Abend bereits fortgeschritten ist, schaffen wir es vielleicht, gegen 23 Uhr Marin Caktas bei der Aufführung seines Stückes zu den Bildern von Silke Konschak anzuschauen.

Die Lange Nacht steht in diesem Jahr unter dem Motto „Wort & Bild“. Eine Reihe von Kreativen haben sich dieses Themas angenommen, u.a. der Lichtenberger Künstler Andre Kiehtreiber. Er beschäftigt sich intensiv mit den zehn deutschen Literatur-Nobelpreisträgern und hat seine daraus resultierenden Gedanken und Ideen in Bildern umgesetzt. Seine großformatigen Gemälde sind im Blankenstein-Saal des Museums Kesselhaus auf dem Gelände des Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge in der Herzbergstraße 79 zu sehen. Seinem Beispiel folgend, haben Künstlerinnen und Künstler der Lankwitzer Werkstätten, der ambulanten Kunsttherapie des Krankenhauses, der Pinel GmbH und Schüler Lichtenberger Schulen sich vom Lesen der Bücher von Gerhart Hauptmann, Günter Grass und anderen Nobelpreisträgern inspirieren lassen, um eigene Werke zu schaffen. Sie nahmen dabei auch an einem Kunstwettbewerb teil, die besten Arbeiten erhielten Preise, gestiftet von der Sparda-Bank. Auf dem Rückweg zu Bahn und Bus durch den Krankenhaus-Park können wir die durch den Lichtkünstler Harm Bremer illuminierten Skulpturen bewundern.

Es ist spät geworden, nicht nur die Füße sind müde. Auf dem Weg zu einem gemütlichen „Absacker“ im Studio Bildende Kunst, der Galerie des Kulturrings in der John-Sieg-Straße 13 im Kiez Frankfurter Allee Süd, sollten wir unbedingt auf das angeleuchtete farbenfrohe neue Wandbild von Christian Awe an der Frankfurter Allee 192 einen Blick werfen. Er hat den von der HOWOGE ausgelobten Fassadenwettbewerb gewonnen, sein Werk ist gerade erst fertig geworden.

Zu später Stunde lassen wir nun den Abend ganz entspannt bei einem Glas Wein im Garten des Studios Bildende Kunst ausklingen und denken darüber nach, morgen Friedrichshain mit seinen spannenden Ausstellungsorten zu erobern.

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