„…so fällt mir gleich mein Christian ein“

Renate Wagner

Eine Glocke braucht Carola Röger vom Kulturring in Berlin e.V. nicht, um sich Gehör zu verschaffen. Die 67-Jährige schwenkt fröhlich ihre Liedtexte, und die Kaffeegeräusche verstummen. „Singen macht Laune“ heißt es einmal monatlich im Restaurant vom Kursana Seniorenzentrum Landsberger Tor. „Unter 30 Sänger sind wir selten“. Vor sieben Jahren bemühte sich Direktorin Michaela Reichenbacher, den Singetreff vom Kulturforum Hellersdorf in ihr Haus zu holen. „Als eine Brücke zwischen unseren Mietern vom Betreuten Wohnen und Senioren aus dem Wohngebiet. Auch mancher Bewohner aus dem Pflegebereich blüht regelrecht auf bei den bekannten Volksliedern.“ Immer unter einem anderen Motto – im Februar zum Beispiel liegt der Akzent mit „Oh, du lieber Augustin“ neben dem Winter-Kehraus ein wenig auf Karnevals-, Frühlings- und Scherzliedern. Ulrich Wilke am Klavier gibt den Ton vor. „Höre ich dieses Rindvieh schrein, so fällt mir gleich mein Christian ein“, schmettert die Runde vergnügt. Sie singt die lustigen Tage herbei, erinnert an wahre Freundschaft, an heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß und an jene sagenhafte Quelle im Schneegebirge, nach deren Genuss man allzeit jung bleiben soll – „leider nicht“, murmelt eine Sängerin bedauernd.„Beim Singen kommen so viele Erinnerungen“, sagt Christa Gladosch aus dem Haus, die sich an diesem Nachmittag immer mit einer einstigen Wanderfreundin aus Marzahn verabredet. Hilde Eichhorst wird von ihrem Sohn hergebracht. „Ich war früher im Chor, bin ein lustiger Mensch und gern unter Leuten“, bringt die 88-Jährige ihre Gründe für den Mittwochstreff auf den Punkt. Und Edith Gratzke (Foto) ergänzt: „Ich mag die alten Lieder.“ Wenn sie sich einigermaßen fühlt, ist die pflegebedürftige Hausbewohnerin dabei. „Man bekommt so mal etwas anderes in die Ohren. Wenn ich auch heute mehr schnurre als singe“, lächelt die 94-Jährige ein wenig wehmütig. Zwischendurch rezitiert Carola Röger ein Frühlingsgedicht und erzählt, warum der Februar so kurz ist: Laut einem niederländischen Märchen spielte der Monat leidenschaftlich gern Karten mit seinen Brüdern. Und als er wieder einmal alles auf eine Karte gesetzt und verloren hatte, gab er dem Januar und März notgedrungen je einen Tag ab…

Nächster Termin: 12.9. „Wandern wir mal“

aus Ratgeber-Journal Marzahn-Hellersdorf

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