Das Ei hat nichts anzuziehen

Torsten Preußing

Erstmals deutsch und russisch – das Ensemble T & T

BTT-Marzahn NordWest – Die Premiere kam auf leisen Sohlen, der Sonntagnachmittag mit etwas Regen, und das Hausensemble T & T brachte den „Urvater“ deutschen Humors mit und auf die Bühne: Vico von Bülow alias Loriot. In der Regie von Natalija Sudnikovic versuchte sich die sympathische spielfreudige Truppe an den immer wieder gern belachten Sketchen vom harten Ei, dem plötzlich streikenden Fernsehapparat und dem wie immer leeren Kleiderschrank von Madame. Köstlich auch der philosophische Grenzen streifende Ehestreit über Tun und Nichtstun mit der scheinheiligen Frage: „Warum schreist du mich dann so an?“ Und das donnernde Echo: „Ich schreie dich nicht an!“ Dabei erwies sich im „freien Spiel der Kräfte“, dass der Brandenburger Loriot durchaus auch als russischer Humorist durchgegangen wäre. Seine von T & T nach eigenen Intentionen nachgespielten Szenen mancher Ehen enthielten so viel Seele und Inbrunst, als wären sie aus dem lebendigen Leben zwischen Smolensk und Wladiwostok geschöpft worden.

Erstmals hatten sich die Akteure aufgerafft, an einem Nachmittag zweisprachig aufzutreten, also dieselben Stücke zunächst in Deutsch und danach in Russisch zu spielen. Erstaunlich: die russischen Versionen dauerten spürbar länger als die deutschen, was die These zu stützen scheint, dass das natürliche Männlich-Weiblich-Gefechtsfeld „Hafen der Ehe“ keine deutsche Domäne ist. Mehr noch: Das russische Waffenarsenal ist sogar noch mächtiger. Jedenfalls schlugen Natalija Sudnikovic als Berta und Paul Orlanski als Hermann eine so zauberhaft scharfe Klinge, dass ihre mal tirilierenden, mal schneidenden russischen Laute die Luft im Parkett vibrieren ließen.

Den deutschen Part dieser Rollen hatten Rosa Strauch und Rosemarie Heiderich übernommen, wobei Frau Heiderich gleich bei ihrem ersten T&T-Auftritt eine Männerrolle übernahm, die sie in Maske (Tamara Badt), Kostüm und Ausführung zu einem umjubelten Kabinettstückchen machte. In bewusster Kontraststellung dazu Frau Strauch, deren Berta höchste Eleganz und weibliche Überlegenheit ausstrahlte, selbst wenn der schroffe „Hermann-Rosi“ sie schurigeln wollte.

Bei dieser gelungenen Premiere im Tschechow-Theater, zu der auch die charmanten Plauderer Elwira Ewald (russ.) und Artur Dubow (dt.) als Moderatoren beitrugen, verwunderte lediglich der Umstand, dass die „Freunde des Theaters“, zu denen auch Rosemarie Heiderich gezählt wird, bei deren Schauspieldebüt auf der Tschechow-Bühne durch Abwesenheit glänzten. Auch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Anschluss an die Aufführung eine kleine Tafel mit russischer Gastfreundlichkeit gedeckt wurde, an der sich bei Kaffee und Wein, Obst, Salat und Süßigkeiten ein anregendes Gespräch zwischen der Theatertruppe und ihren Gästen aus dem Publikum entspann. An offiziellen Stellen wird man nicht müde, den „interkulturellen Dialog“ zu fordern, ohne ihn zu führen. Hier fand er statt, ohne dieses aufbauschende Wort zu benötigen. Die Gäste von diesen „Stellen“, die früher gingen, haben also etwas verpasst.

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