Wunderkinder

Ingo Knechtel

gibt es nicht, meinte ich viele Jahre lang. Meine Welt war ziemlich klar strukturiert; ich dachte, alles ließe sich logisch erklären, analysieren, begründen. Dann traf ich Menschen, die hatten sich über Jahre hinweg einen guten Job erarbeitet, hatten Familie, Eigentumswohnung und entschieden sich plötzlich, anderswo in der Welt etwas völlig Neues zu machen. Ich begegnete einem Ingenieur, der bei Siemens nicht mehr gebraucht wurde und sich fortan intensiv mit Familienforschung befasste; ein Mathematiker entdeckte sein Herz für die Musik. Ein früherer Chemielaborant ging auf Reisen, um Orchideen zu finden und zu fotografieren. Sie alle taten dies mit ganzer Leidenschaft, waren nach kurzer Zeit auch Experten auf ihren Gebieten und konnten begeisternd erzählen. Solche Brüche im Leben machen Biografien interessant. Wenn erst einmal klar wird, dass die Jagd nach Erfolg, nach einer Karriere, nicht das allein Selig-Machende ist, kann die Suche nach dem eigentlichen Ich, nach lohnenden Zielen mit etwas mehr Gelassenheit erfolgen. Belohnt wird jeder mit Lust und Lebensfreude. Beispiele hierfür finden Sie auch in diesem Heft. Die Bilder einer Ausstellung der Künstlergruppe KLIN erzählen nicht nur von der Natur im Aufbruch, sondern auch von den Brüchen und Aufbrüchen im Leben der Künstler. Was das Brennen für eine Sache bewirkt, zeigen die Salons des Kulturrings, die an anderer Stelle beleuchtet werden. Und die Mitarbeiter im Spandauer Kindermedienpoint beweisen, dass sie zwar alle etwas anderes gelernt haben, aber sich mit Herz, Verstand und vollem Engagement ihrer neuen Aufgabe stellen. Sehen so Wunderkinder aus? Nein, dies sind wahre Glückskinder. Denn sie geben ihrem Leben immer wieder neuen Sinn.

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