Trassniks, Natschalniks, Kulturniks

Astrid Lehmann

Ü50 Party am Helsingforser Platz

Die Eulenspiegel Verlagsgruppe hat immer spannende Vorschläge: Da gab es vor nicht allzu langer Zeit das gemeinsame Projekt „Schön nackt – Aktfotografie in der DDR“. Es war eine Buchpräsentation und eine Ausstellung in der Friedrichshainer Fotogalerie und dazu noch ein toller Erfolg. Besonders freute sich wohl der eine oder andere Herr über die Anwesenheit einiger der Damen, die als Model wesentlich zum Erfolg dieses Buches beitrugen. Erneut ging es nun auf eine kleine Reise in die Vergangenheit. Jetzt aber waren es ganz andere „Sehenswürdigkeiten“. Die Erdgastrasse, um deren Bau in den 1970er und 80er Jahren es in dem Buch und in der Ausstellung geht, ist ein Stück Geschichte, die in der DDR ihren Ursprung nahm, deren Ergebnis heute die Energieversorgung Deutschlands sichern hilft. Daran dachte zu jener Zeit natürlich keiner. Es war Abenteuer, Pflichterfüllung und natürlich auch gutes Einkommen, das viele junge Leute an die Trasse brachte. Im Buch und in der Ausstellung finden sich Landschaft, verschiedene Orte und Stadien der Bautätigkeit und vor allem die „Pioniere“ des Baus. Bei der Eröffnung dieser Ausstellung konnte man sich an gut gebauter Männlichkeit erfreuen – auf Fotos, im Buch und konkret als Besucher bei der Eröffnung. Da zog es die ehemaligen Trassniks und Kulturniks an den Helsingforser Platz, um die Reise in die Vergangenheit zu machen und in der Gegenwart ehemalige Mitstreiter wiederzuerkennen oder wiederzufinden. Es war kein Abend großer Worte. Die Zeit wurde genutzt, um sich viele der Abenteuer erneut zu erzählen, mit ein wenig Wehmut daran zu erinnern, welche Perspektiven nicht nur die räumliche Weite der Trasse sondern auch die Tätigkeit dort bot. Dann aber erinnerte die flotte Musik der Kulturring-Band „44heaven“ an die Zeit, in der der Tanz überwiegend reine Männersache war. Unter Klatschen und anspornenden Rufen wurden verschiedene Tanzstile ausprobiert, die zeigten, dass auch die Ü 50-Generation noch was draufhat. Übrigens – wer denkt, dass Trasse und Bauarbeiter stets etwas mit viel Alkohol zu tun haben – an diesem Abend war es auf keinen Fall so. Mal ein Bierchen, wenig Wein und dafür Saft und Wasser – ja, so sind sie also heute, die Trassniks. Und als sie von der Eröffnung nach Hause gingen, hatte man ein wenig den Eindruck, dass mit diesem Abend ein Stück der früheren Gemeinschaft, der Wärme an der kalten Trasse, zurückgekommen war.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5.4., in der Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin, Di-Sa 13.00 bis 18.00 Uhr, Do 10.00 bis 18.00 Uhr zu sehen.

Archiv