Einmal im Monat treffen sie sich. Und dann wird debattiert: Wohin soll es gehen? Welche Ausstellungen sind gerade im Gespräch? Welcher Park wurde umgestaltet und lädt zum Besuch ein? Welches technische Denkmal ist vielen bis dahin entgangen? Wo kommt man als Gruppe leichter rein als individuell, wo kommt man vielleicht sonst gar nicht rein? Die sich das fragen und immer neue Vorschläge machen, sind meistens Ruheständler, die sich aber alles andere als im Ruhestand befinden. Sie nennen sich Interessengemeinschaft Museen und Ausstellungen. Mehrere dieser Gruppen gibt es im Kulturring; sie treffen sich regelmäßig. Die größere und schon länger bestehende kommt aus dem Nordosten, größtenteils aus Marzahn-Hellersdorf. Wenn alle kommen, sind es schon mal 30 bis 40 Leute. Ihr „Heimatquartier“ ist das Kulturforum Hellersdorf in der Carola-Neher-Straße, das schon seit vielen Jahren vom Kulturring betrieben wird. An jedem ersten Montag im Monat starten die Planungsrunden, in der Regel nachmittags ab 14 Uhr. Der zweite Stützpunkt befindet sich in Pankow, im dortigen Brose-Haus, und ist für alle Interessenten aus dem Berliner Norden gedacht. Die Treffs sind dort immer am ersten Dienstag im Monat. Auch diese Gruppe ist stetig angewachsen. Anfangs kamen so zwischen 6 und 10 Leute zu den Terminen, heute können es schon mal doppelt so viele sein und mehr. Man muss nicht Mitglied des Vereins sein, um an den Aktivitäten der Gruppe teilzunehmen. Einige haben sich dazu aber entschlossen und es nicht bereut. Über die Kultur News wird auch das Interesse an anderen Veranstaltungen und Ausstellungen geweckt, die vom Kulturring organisiert werden. Mittlerweile im fünften Jahr ihres Bestehens, beging die Gruppe gerade dieses kleine Jubiläum mit einem zünftigen Besuch der Berliner Kindl-Brauerei in Weißensee. Den ersten „Termin“ hatte die Gruppe am 22.11.2006, da nämlich wurde sie im Berliner Rathaus vom damaligen Chef der Senatskanzlei André Schmitz empfangen. Noch im gleichen Monat wurde dieser dann als Staatssekretär für Kultur ranghöchster Berliner Kulturpolitiker. In der Regel trifft sich die Gruppe seither zweimal im Monat zu einer Exkursion. Die Statistik der besuchten Kulturstätten passt inzwischen kaum auf sechs Seiten. Wie erwartet liest man z.B. in 2007 über einen Besuch der „Französischen Meister“ in der Neuen Nationalgalerie oder der „Königsgräber der Skyten“ im Martin-Gropius-Bau. Aber plötzlich taucht da der eine oder andere Termin auf, der schon eher überrascht. Zum Beispiel traf sich die Gruppe am 26.9. des Jahres zu einer Führung im Rotlichtmilieu unter dem Titel „Frauengeschichten rund um die Oranienburger Straße“. Eine Uhrzeit für den Termin war nicht angegeben. Auch in die Unterwelten ist man abgetaucht, um sich am ehemaligen Haupttelegrafenamt mit der früheren Rohrpost zu beschäftigen. Obwohl die meisten Besuche in der Hauptstadt und der unmittelbaren Umgebung stattfinden, gibt es oft auch Grund genug, ein Stück weiter zu reisen. So gab es im Juli 2008 eine Tagestour ins Museumsdorf Glashütte, im Oktober eine Besichtigungstour in Frankfurt/Oder mit einem Kabarettbesuch der „Oderhähne“ oder im April 2009 eine Fahrt nach Stralsund mit einem Besuch des Ozeaneums. Auch vor politischen Adressen macht die Gruppe keinen Halt. Das Bundeskanzleramt, das Detlef-Rohwedder-Haus (Finanzministerium), aber auch das Konrad-Adenauer-Haus der CDU, die holländische und russische Botschaft waren angesagte Ziele.
Ich frage diejenige, die all das Organisatorische für die Gruppe erledigt, was wohl bei ihr den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat: „Da etwas Bestimmtes heraus zu greifen, fällt bei der großen Vielfalt schwer. Das Schönste für mich ist, wie sich die Mitglieder der Gruppe mit ihren Ideen und Vorschlägen einbringen. Das ist ein großes Miteinander. Das macht Freude und inspiriert. Und die Breite der kulturellen Interessen und Angebote eröffnet für jeden von uns neue Horizonte.“ Claudia Herzer ist fast von Anfang an dabei. Sie sagt: „Das ist zwar nicht mein Kind, ich hab es aber adoptiert.“ Und sie gibt ihm ihre besondere Liebe. Claudia Herzer ist kulturell äußerst vielseitig interessiert. Und sie ist clever, was all das Organisatorische betrifft, sie lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen, wie man so schön sagt. Und sie bringt sich voll ein. Sie steht für den Kulturring und für ihre Gruppen, sie organisiert Führungen, setzt sich gegen gar manche bürokratische Zeitgenossen vehement durch. Und das spüren natürlich vor allem ihre Gruppenmitglieder, die des Lobes voll sind und ihre Dankbarkeit zeigen. Zur Ruhe setzten will sich Claudia Herzer aber noch lange nicht, wenn sie auch viele Ruheständler begleitet. Gefragt, ob sie sich vorstellen könne, ihre engagierte Arbeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes zu machen, ist sie eher abwartend. „Vielleicht mache ich das dann, wenn ich Rentnerin bin“, sagt sie zu einem Kollegen.
Bei einem Glas „Rotkehlchen“ in der Kindl-Brauerei verteilt Claudia Herzer sichtlich stolz ihre Statistik: Bis 2010 gab es 123 Veranstaltungen mit 471 Teilnehmern; allein 2011 waren es 28 mit 248 Getreuen, die zur Gesamtzahl dazu kommen. Der aus Bremen zugewanderte Braumeister wurde von einem Besucher gefragt, ob er denn eine Flasche Berliner Weiße noch trinken könne, die er mit DDR-Etikett von kurz vor der „Wende“ gefunden hätte. Uneingeschränkt gab der Bremer Experte dem „Ostgetränk“ sein Prüfsiegel. Die Weiße werde mit den Jahren immer besser. Lassen wir diese Zuneigung einfach mal symbolisch auf die Unruheständler hinüberfließen und wünschen wir den engagierten Kulturinteressierten um Claudia Herzer noch unzählige schöne Erlebnisse.