Ein buntes Jahr in der Fotogalerie

Astrid Lehmann

Wenn das Jahr beginnt, dann sollte schon feststehen, wie es enden wird – zumindest was die Planung für eine Galerie betrifft. Der Beirat hat es sich 2011 wieder nicht leicht gemacht. Überall im großen Ausstellungsraum der Fotogalerie lagen Bewerbungsschreiben, Mappen, Bücher, Tafeln. Auf verschiedenste Art hatten sich über mehrere Monate hinweg Fotografen beworben, um in den repräsentativen Räumen auszustellen. Die Schwerpunkte reichten von Architektur über Umwelt, die Darstellung von Menschen in verschiedensten Lebensräumen und -situationen und experimenteller Fotografie bis zur Abbildung unterschiedlichster Facetten des Lebens in anderen Kulturkreisen und Ländern. Es fanden sich Namen von Fotografen, die schon öfter hier ausgestellt hatten. Neue, hier unbekannte Bewerber hatten sich ebenfalls beworben. Nach vielem Lesen, Betrachten, Hin- und Herrücken und Diskutieren verringerte sich die Zahl der Bewerbungen, die in die engere Wahl kamen. Den Start in das Jahr 2012 machte die Galerie mit einer Fotografin, die mit 21 Jahren sicher die jüngste ist, die jemals in der Fotogalerie Friedrichshain ausgestellt hat. Dvorah Kern präsentierte unter dem Titel „Still“ Porträts und Landschaften, die ihre eigene, eher melancholische Haltung spiegelten und von anderen Fotografen sowie dem Publikum als äußerst reif bezeichnet wurden. Mit einer Buchpräsentation zum Thema „Trasse“ wurde im Februar eine Ausstellung eröffnet, deren Thema im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig ist. Dieses „Jahrhundertwerk“ wurde durch Fotografen begleitet und nun, mit Texten versehen, als Buch im Verlag das Neue Berlin (Eulenspiegel Verlagsgruppe) bei der Eröffnung präsentiert. Vor zwei Jahren schon erlebten wir durch eben diese Verlagsgruppe eine Buchpräsentation mit Ausstellung zum Thema Aktfotografie „Schön Nackt“. Sicher waren die Bilder damals sehr attraktiv – interessant und „abenteuerlich“ und damit sehr sehenswert sind sie bei dem heutigen Thema auf jeden Fall auch.

Mit der folgenden Ausstellung von Jonnek Jonneksson unter dem Titel „One World“ wird der Künstler eine Auswahl seiner Bilder aus den verschiedensten Ländern, zu den verschiedensten Zeiten fotografiert, präsentieren. Sie vereint das Eine: Sie wollen immer wieder darauf hinweisen, dass wir alle in einer Welt leben, die unteilbar ist und nur einmal „zur Verfügung“ steht. Mit der Ausstellung „Zeit – doppelt belichtet“ von Michael Harms geht es im Mai weiter. Harms macht eine Zeitreise. Er verfolgte schon in anderen Projekten das Ziel, seine Motive nach einem längeren zeitlichen Abstand erneut zu fotografieren. Auch in dieser Präsentation wählt er dieses Vorgehen. Dreißig Jahre nach seiner ersten Berlin-Reise läuft er erneut die Routen ab, die er schon einmal besuchte und fängt die Veränderungen ein. Für den Fotografen ergeben sich wichtige Erkenntnisse in Bezug auf seine eigene Wahrnehmung, die sich im Laufe von 30 Jahren doch erheblich verändert. Der Betrachter erkennt manches Motiv kaum wieder und kann feststellen, dass Berlin in besonderem Maße schon in kurzer Zeit enormen Veränderungen unterworfen war und ist. Mit der folgenden Ausstellung zum Thema „Cuba“ bringen die Fotografen Annegret Klemens und Ralf Klingelhöfer zwei unterschiedliche Sichtweisen auf Land und Leute in die Galerie. Zur Präsentation im August wird Jing Wang, ein chinesischer Künstler, Bilder zu den Themen moderne Architektur, Aufnahmen in der Pariser Metro und Selbstbildnisse zur Schau stellen. Im Rahmen des 5. Europäischen Monats der Fotografie erwarten wir im Herbst Jörg Rubbert in der Fotogalerie Friedrichshain. Dem zentralen Thema „Blicke der Veränderung“ widmet es sich mit der Ausstellung „Georgia on my mind“. Sie zeigt die US-Südstaaten in einem für Manche vielleicht neuen Licht. Die Menschen leben in einem verlangsamten Rhythmus. Die Bilder zeigen ein ehemals paradiesisches Fleckchen Erde, das – besonders wirtschaftlich – schon bessere Zeiten erlebt hat. Schon durch den Niedergang der Baumwollindustrie und verstärkt durch die bis heute spürbare Wirtschafts- und Finanzkrise, hat besonders die ländliche Region gelitten. In dieser „Kulisse“ wirken die Bewohner der abgebildeten Orte irgendwie verloren, als hätten sie den Glauben an eine bessere Zukunft verloren oder als suchten sie nach einer Perspektive.

Gleich nach dem Europäischen Monat der Fotografie nutzt der Kulturring die Möglichkeit, sich mit der Fotogalerie an einer weiteren, in einem Netzwerk geplanten Präsentation zu beteiligen. Unter dem Arbeitstitel „Der dritte Blick. Künstlerische Fotografie in der DDR 1945 bis 1989“ werden mit dem Organisator, der Berlinischen Galerie, verschiedene große Galerien Fotografen präsentieren, die jeweils für einen Teil dieser Geschichte stehen. Es soll die Frage beantwortet werden, ob sich unter den spezifischen Verhältnissen der DDR-Gesellschaft eine freie künstlerische Fotografie entwickeln konnte. Gezeigt werden soll, wie Fotografinnen und Fotografen auf fehlenden politischen Diskurs reagierten. Es geht dabei nicht um eine Darstellung der DDR-Geschichte, sondern um die Frage nach der fotohistorischen Bedeutung der freien künstlerischen Fotografie. Dazu sollen Fotos aus verschiedenen Genres gezeigt werden, auch der Unterschied zwischen dem offiziellen Blick und der freien künstlerischen Fotografie soll verdeutlicht werden, indem einige Werkgruppen aus den Bereichen Journalismus, Postkarten- und Werbefotografie inszenatorisch und kontextuell in die Ausstellung einbezogen werden. Für den Kulturring beteiligen sich in der Fotogalerie Peter Leske und Eberhard Kloeppel. Beide kommen aus dem Bereich des Journalismus und der Bildreportage und waren schon auf vielen großen Ausstellungen zu sehen. Ein spannender Abschluss und wahrer Höhepunkt für dieses Galeriejahr, auf das wir Sie hoffentlich neugierig gemacht haben. Für Ihre Anregungen und Hinweise wird der Beirat dankbar sein, wenn er sich der Planung für ein weiteres Jahr widmet.

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