„Hinter jedem Kopf steht eine Geschichte“

Lena Belenkaya, Antje Mann

Das Silvesterfeuerwerk war kaum verklungen, da drängten sich am 5. Januar mehr als 80 Besucher zur ersten Ausstellungseröffnung der Galerie OstArt 2012. Ein trefflicher Auftakt für ein neues Ausstellungsjahr. Und ein rundum gelungener Abend sollte es werden. Dafür sorgten nicht nur die fulminanten Werke zweier herausragender Künstler, der Berliner Malerin Inge H. Schmidt und des polnischen Fotografen Krzysztof Plaza. Dazu trug auch der begeisternde Auftritt des Liedermachers Stephan Krawczyk bei, der die Besucher mit Liedern von Brecht und Eigenkompositionen beglückte und damit einen perfekten Rahmen für die Vernissage bot. Kommt man – wie viele Besucher des Abends – mit den beiden Künstlern Inge H. Schmidt und Krzysztof Plaza ins Gespräch, so geht man mit ihnen geradezu noch einmal auf Reisen. Die beiden reisten viel, durch die verschiedensten Länder dieser Welt. Ihre Hauptentdeckungen waren nicht exotische und spektakuläre Landschaften oder Orte, in erster Linie hatten es ihnen deren Bewohner angetan. Die Laudatorin Dr. Petra Lange sagte dazu: „Von allen, zum Teil sehr berührenden Begegnungen mit dort lebenden Menschen haben sie ein Reservoir künstlerischer Zeugnisse – in Form von Fotografien und Zeichnungen – mitgebracht. Die Auseinandersetzung damit ließ eine Vielzahl neuer Werke entstehen, die nun in der Ausstellung „face to face“ gezeigt werden. Dokumentiert, könnte man sagen, sind die Augenblicke der Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Die Fotografien von Krzysztof Plaza konzentrieren den Blick auf das unmittelbare Geschehen, das er feinfühlig einzufangen weiß. Seine Protagonisten der Darstellung machen die Dimension menschlichen Daseins in anderen Lebensräumen bewusst – sie reicht von der Unbeschwertheit junger spielender Mädchen bis zur Präsenz der von der Härte mancher Lebensform gezeichneten Gesichter. Inge H. Schmidt verbindet mit der Gestaltung der Physiognomien, das Innere eines Jeden der Dargestellten aufzuzeigen. Ihre Malerei vermittelt die Intensität der emotionalen Annäherung, die sich gleichsam im gestalterischen Prozess äußert. So bergen all die kontrastreich formulierten Gesichter den Rückschluss auf die Geschichte des jeweiligen Menschen.“ Beide Künstler porträtieren Menschen in Räumen und auf Straßen, bei der Arbeit oder während der Freizeit, Kinder mit Eltern oder beim Spielen. Bei Plaza sind es immer konkrete Gesichter. Inge H. Schmidt malt Porträts auch ohne Modell, diese bilden dann eine Zusammenfassung ihrer Eindrücke von Gesehenem und Erlebtem ab. In der OstArt stehen sich ihre Arbeiten gegenüber, face to face. So verschieden die „Werkzeuge“ der Künstler auch sind, so gleich ist ihre Faszination und ihre Affinität zu einfachen und natürlichen Menschen. Das ist der große Reiz dieser Ausstellung in der Galerie OstArt in Lichtenberg.

Aus Thüringen stammend, führte der Weg von Inge H. Schmidt über das Malerei-Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle an die Hochschule der Künste in Berlin, wo sie ihren Meisterschülerabschluss erhielt. Sie lehrte dann im fernen Baku (Aserbaidschan) an der dortigen Staatlichen Akademie der Schönen Künste, ebenso an der Berliner UdK und der Fachhochschule Potsdam. Ihre künstlerische Neugier trieb sie nicht nur zu Reisen nach Laos, Kambodscha, Mexiko, Guatemala, den USA, nach Sibirien, Tadschikistan, Kirgistan und China. Sie nahm mit großem Erfolg auch an Ausstellungen, Projekten und Performances außerhalb Deutschlands – in den USA, Italien, Frankreich, Georgien, Polen, Aserbaidschan und Mexiko – teil. Auf ihrer Website schreibt sie über sich selbst: „Neugierde und Sehnsucht trieben mich nach Tuva, Burjatien, durch Sibirien, Tadschikistan und Xinjiang – weiter und weiter. Auch wenn es mir manchmal erschien, ich sei am Ende der Welt, erkannte ich, es sind doch immer die Begegnungen mit Menschen, was mich am meisten berührt. Ihre Gesichter sind unerschöpfliche Quelle meiner Inspiration. Hinter jedem Kopf, den ich male, steht eine Geschichte. Ich kann nicht aufhören, sie zu ‚erzählen’.“ Zum Glück fand sie als Erzählpartner

Krzysztof Plaza, den polnischen Fotografen und diplomierten Touristikkaufmann. Seit über 35 Jahren ist die Fotografie sein Metier. Fast überall in der Welt kam auch er herum, so in den USA, Mexiko, auf den Großen Antillen, in Südsibirien, Zentralasien, auf dem Balkan, in Syrien und China. Er schuf Fotoserien über New York, Los Angeles, Moskau, Beijing, Bosnien, Serbien, den Altai, über Tuva, Burjatien, das Pamir-Gebirge, Ost-Tibet, Ostturkestan, Afghanistan (Wakhan Korridor) und Aserbaidschan (Baku und Gobustan). Trotz all dieser fernen Gegenden lebt und arbeitet er in der Hauptsache in Berlin.

Das ist bereits die zweite Ausstellung in der Galerie OstArt, in der Werke eines Malers und eines Fotografen zusammen ausgestellt werden. Und wie es sich zeigt, ist diese Gegenüberstellung unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksweisen sowohl für die beteiligten Kunstschaffenden als auch für die Besucher spannend und inspirierend. Überzeugen Sie sich selbst: die Ausstellung ist noch bis zum 16. Februar geöffnet. Am letzten Abend, zur Finissage ab 19 Uhr, werden Sie in der Galerie auch beide Künstler treffen und mit ihnen in einen Dialog treten können.

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