Von der Amerika-Gedenk-Bibliothek zum Künstlerhaus Bethanien | Impressionen eines Bildungstages

Dieter Rein

Begonnen hatte der erste Seminartag 2019 für Bundesfreiwillige im Januar in der Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB), einer der größten öffentlichen Bibliotheken Berlins. Sie ist ein Geschenk der Vereinigten Staaten von Amerika, gestiftet aus Mitteln des Marschall-Plans zum Wiederaufbau nach der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges. Die Bibliothek wurde sowohl von amerikanischen als auch deutschen Architekten, wie Fritz Bornemann und Willy Kreuer, konzipiert. Die Gründung der ursprünglichen Regionalbibliothek war bereits 1948, eröffnet wurde die AGB aber erst 1954. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die Berliner Stadtbibliothek (ehemals in Ost-Berlin) und die Amerika-Gedenk-Bibliothek (ehemals in West-Berlin) 1995 zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) zusammengefasst. Am 17. September 2014 feierte die Amerika-Gedenk-Bibliothek ihr 60-jähriges Bestehen.

Gerne stöberten die Teilnehmer*innen, die alle über den Kulturring in Berlin e.V. ihren Bundesfreiwilligendienst in unterschiedlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen absolvieren, in den vielen, sehr übersichtlich nach Fachgebieten sortierten Bestandsangeboten der Amerika-Gedenk-Bibliothek. Bestände aus folgenden Bereichen sind dort zu finden: Musik, Kunst, Bühne, Medien, Geistes- und Sozialwissenschaften, Literatur, Sprachen und Länder. Für Kinder und Jugendliche existiert eine eigene Abteilung, die Kinder und Jugendbibliothek. Für Kunstfreunde bietet die AGB eine Artothek mit Bildern und kleinen Skulpturen zum Ausleihen. (1)

Nach gut einer Stunde Aufenthalt ging es mit der legendären U-Bahnlinie U 1 zwei Stationen bis zum Kottbusser Tor, von wo es nur ein kurzer Fußweg, vorbei am Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, zum Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz war.

Begründet Mitte des 19. Jahrhunderts durch König Friedrich Wilhelm IV als zentrales Diakonissen-Krankenhaus und 1863 durch Anweisung von König Wilhelm zusätzlich mit einem Stiftungskapital von 250.000 Talern ausgestattet, war das Haus schließlich bis 1970 in Betrieb. Die „Errichtung eines Institutes zur Ausbildung von Krankenpflegerinnen“, mit welchem eine eigene Krankenanstalt verbunden sein sollte“, lautete einstmals der Auftrag, für den der Architekt Ludwig Persius den ersten Entwurf fertigte. In den Revolutionsjahren 1848/1849 arbeitete Theodor Fontane im Krankenhaus als Apotheker. Er bildete in dieser Zeit Emmy Danckwerts zur Apothekerin aus. Die original erhaltene Fontane-Apotheke liegt im Erdgeschoss der Nordost-Ecke des Hauptgebäudes. Sie wird heute vom Friedrichshain-Kreuzberg-Museum verwaltet. (2) Von einem seiner Mitarbeiter erhielten wir eine geschichtliche Einführung über das Leben und Wirken Theodor Fontanes in der Apotheke.

Das Land Berlin hatte das Bethanien 1969 unter Denkmalschutz gestellt und es für 10,5 Mio Mark gekauft. In die Schlagzeilen gelangte es im Dezember 1971, als ein Nebengebäude, das ehemalige Schwesternwohnheim Martha-Maria-Haus, besetzt und nach dem Todesopfer einer Polizeiaktion in Georg-von-Rauch-Haus umbenannt wurde. Eine Polizeirazzia am 19. April 1972, die von der Rockband Ton Steine Scherben im Rauch-Haus-Song thematisiert wurde, bereitete dem Ganzen ein Ende. Im Rahmen der Legalisierung der Besetzung und auch zur Stabilisierung der Neunutzung setzten 1973 Künstlergruppen und schließlich der Berufsverband Bildender Künstler Berlin (bbk) eine Wiedereröffnung des Bethanien als Zentrum für Kultur und Soziales durch.

Nach einer langen prosperierenden Phase geriet es 2004/2005 in eine Krise, als die Seniorenbegegnungsstätte schloss und das Sozialamt aus dem Südflügel auszog, dessen Räume daraufhin von der Gruppe Yorck59 besetzt wurden. Diese Besetzung und ein Bürgerbegehren stoppten Ende 2002 den bereits von der BVV beschlossenen Verkauf des Bethanien an einen Privatinvestor. Am 1. Mai 2009 übernahm die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) dann treuhänderisch die Bewirtschaftung des Betanien. Es blieb bei den bestehenden Nutzern, dem Hausprojekt Yorck59 und ca. 25 kleinerer Initiativen und Projekte als Mieter. Im Hauptgebäude befinden sich die Druckwerkstatt des Berufsverbandes Bildender Künstler Berlin, die Ausstellungsräume des Kulturamtes Friedrichshain-Kreuzberg (Kunstraum Kreuzberg/Bethanien) und die Musikschule des Bezirks. Seit 2002 befindet sich im Südflügel des Hauptgebäudes die New Yorck im Bethanien mit ihren Projekten. In den Nebengebäuden finden sich die Arbeiterwohlfahrt Kreuzberg, Teile des Jugendamtes, das Pestalozzi-Fröbel-Haus und weitere Jugend- und Sozialeinrichtungen. (2)

Ausgestattet mit all dem Hintergrundwissen besuchte unsere Gruppe Bundesfreiwilliger im rechten Gebäudeteil den Kunstraum Kreuzberg, die kommunale Galerie des Kulturamtes Friedrichshain-Kreuzberg. Dort werden Gruppen- und Themenausstellungen zu sozialen und kulturellen Gegenwartsprozessen in Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Künsten gezeigt. Aktuell besichtigten wir die Ausstellung: „Pissing in a River Again!“. Patti Smiths „Pissing in a River - watching it Rise“ (1976) steht metaphorisch für Widerstand und Rebellion. Der Songtext verweist zunächst auf intensive Gefühle von Ausweglosigkeit, Unsicherheit und Verletzung, welche die Musikerin durch einen provozierenden und selbstbestimmten Akt in Stärke und Kraft umwandelt. Im Rahmen des Ausstellungsprojektes zeigen 31 zeitgenössische Künstlerinnen verschiedener Generationen Videoprojektionen, Skulpturen, Malereien, Fotografien und Performances. (3)

Danach ging es zur Druckwerkstatt des bbk. Sie bietet alle technischen Möglichkeiten es künstlerischen Drucks, von traditionellen Drucktechniken des Buchdrucks, der Radierung, Lithografie, über die des Siebdrucks und Offsetdrucks bis zu den neuesten technischen Entwicklungen. Ergänzend gibt es Werkstätten für Papierherstellung und Buchbinderei. Die Druckwerkstatt entstand 1955 und wurde ab 1973 in Bethanien mit öffentlichen Mitteln ausgebaut und für alle Künstler geöffnet. Sie ist die umfangreichste nicht kommerzielle künstlerische Druckwerkstatt weltweit. (4)  

Quellenangaben:
(1) Die Amerika-Gedenk-Bibliothek in Kreuzberg,
https://de.wikipedia.org/wiki/Amerika-Gedenkbibliothek
(2) Das Bethanien in Berlin-Kreuzberg,
https://de.wikipedia.org/wiki/Bethanien_(Berlin)
(3) Kunstraum Kreuzberg Bethanien, Pressemitteilung, „Pissing in a River. Again!“, 16.11.18
(4) Die Druckwerkstatt im Kulturwerk des bbk berlin
http://www.bbk-kulturwerk.de/con/kulturwerk/front_content.php/idcat.47

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