Eine schwere (Wieder-)Geburt

Ingo Knechtel

Manchmal schlagen die Wellen hoch. Alle wollen etwas Gutes, aber das Gute hat es schwer, zwischen verschiedenen Zwängen und Problemlagen einen Weg zu finden, sich zu behaupten.

Von den Jobcentern geförderte Projekte können oft genug ein Lied davon singen. Projekte laufen nur wenige Monate, enden zum Jahresschluss – alles, weil es eine nicht zu begreifende bürokratische Hürde zum 31.12. eines jeden Jahres gibt. Träger und Teilnehmer regen sich gleichermaßen darüber auf, weil ein sinnvolles, kontinuierliches Arbeiten nach ihrer Meinung anders aussieht. Jüngstes Beispiel dafür: der Medienpoint in Tempelhof-Schöneberg mit seinen zwei Standorten in der Crellestraße und der Werderstraße. Dort machten die engagierten Mitarbeiter ihrem Ärger Luft und gingen auf die Straße. Schon zu Jahresbeginn hatten einige von ihnen mehrere Monate ehrenamtlich gearbeitet, damit die Einrichtungen nicht geschlossen werden mussten. Dann half das Jobcenter mit einer Viermonatsmaßnahme, zum Glück konnte sie bis zum Jahresende verlängert werden. Die Angebote der Medienpoints, die sehr initiativreiche Arbeit der dort beschäftigten Mitarbeiter, die positiven Effekte für deren Eingliederungs-chancen wurden so also auch vom Jobcenter anerkannt und gewürdigt. Deren Mitarbeiter waren vor Ort und überzeugten sich. Und ganz persönlich spendete der eine oder andere von ihnen auch Bücher für den guten Zweck.

Für die Mitarbeiter der Medienpoints ist es zudem ein gutes Gefühl zu spüren: Ich werde gebraucht! Und es ist etwas anderes, dies nicht nur zur Neujahrsrede des Bundespräsidenten zu hören, sondern es selbst tagtäglich zu spüren. Zwei von ihnen haben in diesem Jahr Jobs auf dem regulären Arbeitsmarkt gefunden.

Sollten diese guten Gefühle nun einfach wieder vorbei sein? Irgendwo war da auch noch ein optimistisches Gefühl beim Träger Kulturring, das über viele Jahre einer äußerst fruchtbaren, unbürokratischen und auch persönlich angenehmen Zusammenarbeit des Vereins mit den verschiedensten MitarbeiterInnen des Jobcenters Tempelhof-Schöneberg genährt wurde. Und mit ihren Aktionen haben die Mitarbeiter auch die Aufmerksamkeit der Bezirkspolitik gefunden. Die neue Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler besuchte den Medienpoint, ebenso Stadtrat Oliver Schworck. Dieser nahm sich die Zeit und stöberte durch die Regale der Einrichtung in der Werderstraße, die ja irgendwo auch ein Kieztreffpunkt geworden ist. Die „Seele“ des Ladens, Hennig Hamann, früher bekannter Radio-DJ bei 100,6, RIAS und SFB, erläuterte das „Geschäftsmodell“. Bücher, Schallplatten, CDs, MCs und andere Medien müssen nicht in heimischen Schränken verstauben, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, sondern können in die Medienpoints gebracht werden oder werden abgeholt und dann kostenlos an jene Interessenten weitergegeben, die sich mit schmalem Geldbeutel nicht viel Lesestoff leisten können, oder sie können geliehen oder getauscht werden. Viele soziale Einrichtungen sind auch Stammkunden der Medienpoints, von denen der Kulturring gegenwärtig zehn in Berlin unterhält. Auf diese Weise wird nicht nur das Lesen gefördert, sondern auch wertvolles Kulturgut bewahrt.

Der Erfolg gibt den Organisatoren des Projekts recht. Projektbereichsleiter Reno Döring verweist auf die gestiegenen Besucherzahlen im Medienpoint Werderstraße: 2008 waren es 1.170, 2009 schon 4.633, 2010 sogar 6.444 und 2011 – trotz der Probleme zu Jahresbeginn – bis Ende November über 7.000. Der Medienausgang steigerte sich kontinuierlich von 6.267 in 2008 auf weit über 37.000 in diesem Jahr. Die abgegebenen Spenden wuchsen von 8.361 auf über 42.000 in 2011. In seinem Gespräch mit Stadtrat Oliver Schworck lobte Döring die bisherige gute Zusammenarbeit des Vereins mit dem Jobcenter. Darin schwang die Hoffnung auf ein „Weihnachtswunder“ mit, wie er sagte. Und Wunder gibt es immer wieder, wie wir wissen: am 15. Dezember stand Stadtrat Schworck mit einem Blumenstrauß vor der Tür, den er dem engagierten Team unbedingt noch vor Weihnachten überreichen wollte. Denn am gleichen Tag sollte es „grünes Licht“ vom Jobcenter geben, damit ab 15. Januar 2012 ohne Wehen eine erfolgreiche „Wiedergeburt“ des Treffs gefeiert werden kann.

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