Mit 35 hat man noch Träume ...

Antje Mann

1976 wurde in den Räumen in der John-Sieg-Straße die erste Ausstellung mit den Werken damaliger zeitgenössischer Künstler eröffnet. Doch ihren Ursprung hatte die Galerie bereits zwei Jahre zuvor beim Kulturbund in der Frankfurter Allee 285. Die Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten in den beiden Räumen im Hinterhof waren jedoch recht beengt für den stetig wachsenden Bedarf. Deshalb suchte der spätere Leiter des Studios Bildende Kunst Wolfgang Kallauka nach attraktiven räumlichen Alternativen und wurde im Kiez Frankfurter Allee Süd fündig. So wurde 1976 der Umzug in die denkmalgeschützte Villa im Art-deco-Stil bewerkstelligt, die bis dahin u. a. ein Ernst-Thälmann-Kabinett und ein Jugendtourist-Reisebüro beherbergte. Mitte der 80er Jahre fanden im Haus bis zu 17 Kurse statt, so u.a. im Malen und Zeichnen, Textilgestaltung, Keramik-Töpferei und Druckgrafik. Das Studio galt als Hort der „Volkskunst“, das sich besonders der Förderung der Grafik-Kunst verschrieben hatte.

Anliegen des Kulturring in Berlin e.V., der das Haus seit 2004 betreibt, ist es, die jahrhundertealte „Linienkunst“ mit Ausstellungen, Kursen, Projekten und Workshops zu fördern. Der Charakter der Werkstattgalerie blieb bis heute erhalten, und so kommen neben Zeichnungen und Tiefdruckgrafiken, Lithographien, Papiercollagen, Monotypien und Kupferstichen auch Skizzen und Entwürfe zur Ausstellung. Schon zu DDR-Zeiten galt die Galerie als Tipp, stellte sie doch die Werke junger Berliner Künstler und Kunststudenten aus. Seit 2006 gibt es eine Kooperation mit der Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V., welche deutschlandweit vor allem Grafik-Kunst präsentiert und sich durch einen großen Kreis an Mitgliedern der nichtkommerziellen Förderung der Bildenden Kunst widmet. Neben dem Ausstellungsbetrieb gab es in der Galerie bereits von Beginn an die Möglichkeit, unter professioneller Anleitung Kurse in verschiedenen Techniken zu belegen. Die Kursangebote in der Druckgrafik und im Malen und Zeichnen von Stefan Friedemann und Michael Hegewald, der Senioren-Malkreis von Erika Krausnick sowie die Mal- und Zeichenzirkel für Kinder unter Leitung von Tatjana Kan erfreuen sich seit langem großer Beliebtheit und werden auch künftig zum festen Bestandteil der Angebotspalette gehören.

Die Villa Skupin – eine der wenigen erhaltenen Fabrikantenvillen in Berlin Lichtenberg – bietet für die künstlerische Inspiration ein passendes Ambiente. Der Klinkerbau weist eine den 1920er Jahren gemäße Art-Deco-Stuckierung und Innengestaltung auf, die es zu erhalten gilt.

Aus Anlass des 35. Jubiläums sind alle Interessenten am Samstag, dem 8. Oktober, herzlich zum Besuch der Galerie sowie der aktuellen Ausstellung von Farbholzschnitten des Künstlers Jürgen Schnelle eingeladen. Darüber hinaus haben die Besucher die Gelegenheit, die verschiedenen Angebote des Hauses kennenzulernen. Dazu gehören die Kurse im Malen, Zeichnen und in der Radierung wie auch die Kreativangebote für Kinder. Es besteht die Möglichkeit, den Teilnehmern eines Kunstkurses bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Die Künstlerin Tatjana Kan wird Portraits zeichnen, für die kleinen Gäste gibt es ein Bastelangebot, und um 15.30 Uhr startet für Kinder ab 5 Jahren unter der Leitung von Rotraut Simons eine Rätseltour. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt, am Nachmittag werden Kaffee und Kuchen gereicht. Auf dem Knopfakkordeon konzertiert für die Besucher der Musiker Alexander Danko. Der Kulturring knüpft damit an die Tradition ergänzender kultureller Angebote, wie Lesungen oder Konzerte, in der Galerie an. Alexander Danko stammt aus Rostow am Don und absolvierte dort das Konservatorium im Fach Knopfakkordeon. Seit den 1990er Jahren gibt er regelmäßige Gastspiele in Europa. Heute lebt und arbeitet er in Deutschland.

Die Besucher erwartet also ein abwechslungsreiches Programm an diesem Tag der offenen Tür im Studio. Und man kann sich auch angesichts trüber Zukunftsaussichten an solch einem Tag mal zu träumen erlauben. Wenn diese prachtvolle Villa der Kunst zwar mittlerweile vom bezirklichen Eigentum zum Liegenschaftsfonds des Landes Berlin wanderte, ist es nur schwer vorstellbar, dass der Bezirk Lichtenberg es zulässt, dass eine solche Quelle künstlerischer Inspiration den kommerziellen Vermarktungsinteressen des Landes Berlin geopfert wird und damit versiegt. Damit dies nicht nur ein Traum bleibt, damit die künstlerische Arbeit weiter gehen kann, müssen wir alle etwas dafür unternehmen!

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