10 Jahre Medienpoint Pankow – Alles normal?

Inge Thormeyer

Alles normal in der Senefelder Straße 13. Man kennt sich. Seit zehn Jahren ist der Kulturring im Eckhaus zur Hiddenseer Straße sozusagen Altmieter. Das will im Kiez zwischen Stargarder Straße und Prenzlauer Allee schon was heißen. Dass der Medienpoint vor zehn Jahren Kulturkarawane hieß, weiß der türkische Bäcker schräg gegenüber nicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treue Stammkunden sind schon. Möglich, dass er uns an manchen Tagen um unsere Kundenzahl beneidet, denn unsere Bücher gehen weg wie warme Semmeln. Von Montag bis Freitag in der Zeit von 9 bis 18 Uhr. Unser kleiner Laden ist seit zehn Jahren Asyl für Bücher aller Genres, die aus unterschiedlichsten Gründen kein zu Hause mehr haben.

Medienpoint, das ist in den vergangenen Jahren zu einem festen Begriff bei Leserinnen und Lesern mit schmalem Budget in ganz Berlin geworden. Menschen, die vom Lesen nicht lassen wollen, sich den Kauf in der Buchhandlung aber schlichtweg nicht leisten können.

Zu uns kommt der Rentner, der seine Sammlung von Insel-Büchern vervollständigen möchte ebenso wie der Schüler, der zur Abivorbereitung Erich Kästners „Fabian“ sucht. Was bei uns nicht im Regal steht, findet sich bestimmt in einem anderen Medienpoint des Kulturrings. Also schnell eine Anfrage per Mail nach Spandau oder Reinickendorf. Vernetzung untereinander, das ist normal.

Stammkundin bei uns ist Frau Hase, sie sammelt Bücher für die ganz Kleinen. Vorlesebücher, mit denen ihre Kolleginnen von der GFAJ e.V. (einem freien Träger der Jugendhilfe) in Kinderkrippen und Vorschulen zur Märchenstunde gehen. Wenn unsere „Konkurrenz“ von der Stiftung Dragondreams spannende Jugendbücher für ihr Bookcrossing-Projekt braucht, helfen wir gern. Die Grüne Liga konnte bei uns mit Büchern zu Natur und Umwelt fündig werden, und die Seniorinnen und Senioren im St. Elisabeth-Stift haben sich über Schallplatten mit Altberliner Liedern gefreut. Vernetzung im Kiez, auch das ist seit zehn Jahren normal.

Über mediale Aufmerksamkeit können wir uns ebenfalls nicht beklagen. Ende vorigen Jahres hat Katrin Falbe vom Veranstaltungsmagazin tip-berlin bei uns für ihren Artikel „Umsonstläden in Berlin“ recherchiert. Am 21. Februar hatten wir eine Kurzvorstellung im Wirtschaftsmagazin „WAS“ im RBB.

Also feiern wir zehnjähriges Jubiläum, wäre doch normal. Oder?

Normal ist anders, auch im Medienpoint Pankow. Denn es vergeht kein Tag, an dem wir nicht gefragt werden, ob wir auch zumachen müssen, ob es mit der kostenlosen Abgabe von Büchern jetzt vorbei sei. Unsere Besucherinnen und Besucher sind hoch sensibilisiert, wenn es um ihre geistige Nahrung geht. Und der Buschfunk ist schnell, auch im Prenzlauer Berg kennt man den Medienpoint in Steglitz, weiß welche anderen Bücherstuben im Bezirk Pankow und anderswo schließen mussten. Besorgte Fragen gelten der Finanzierung von Miete, Strom etc. Ob Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ da Antwort geben könnte? Noch vor drei Wochen stand es bei uns im Regal.

Aber auch wenn uns zum Feiern nicht zu Mute ist, es geht ganz normal weiter in der Senefelder Straße 13. In unserem Gemischtwarenladen aus Antiquariat, Bibliothek, Tauschbörse und manchmal auch Sozialstation sind Buchspenden weiterhin hochwillkommen, bleibt es bei der kostenlosen Abgabe von Büchern, kann nach wie vor getauscht werden. Wir sind Altmieter – und die können im Prenzlauer Berg ziemlich stur sein.

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