Ausgrenzung 2011

Ingo Knechtel

Mit dem Rasenmäher werden Projekte platt gemacht. Mühevoll von Maßnahmeteilnehmern und Trägern über Jahre Aufgebautes, Angebote im kulturellen und sozialen Bereich, bei der Kinder- und Jugendarbeit und der Seniorenbetreuung zählen plötzlich nichts mehr. Missachtung durch die Politik? Ein Tiefschlag für den Öffentlichen Beschäftigungssektor in Berlin ist es in jedem Fall. Mittelkürzungen um 25,7 % im sog. Eingliederungstitel der Arbeitsagentur und eine Akzentsetzung gegen Beschäftigungsmaßnahmen sprechen eine brutale Sprache. Verstärkt sollen mit den verbleibenden Mitteln Weiterbildung und sog. marktnahe Instrumente gefördert werden. Bildung ist richtig und wichtig, gerade auch angesichts fehlender Fachkräfte. Aber Erfahrungen vieler Hartz-IV-Bezieher zeigen, dass angebotene Kurse sie nicht weiter bringen, nicht in einem gewünschten Arbeitsplatz münden. Häufig fehlt die individuelle Passgenauigkeit, die herauszufinden Mühe macht.

Etwas Neues wird mithin also nicht geboten. Unterm Strich bleibt eine Streichorgie eine Streichorgie und kann nicht schön geredet werden. Sie wird dazu führen, dass Bürgerbeteiligung, soziales Engagement für Andere mit auf der Strecke bleiben, weil auch viele Träger ihre Angebote reduzieren müssen. Die Gefahr sozialer Isolierung und Vereinsamung wird größer. Das von Bundespräsident Wulff zu Weihnachten verkündete hehre Ziel klingt angesichts der Regierungspolitik hohl: „Jeder muss spüren: Ich gehöre dazu, ich werde gebraucht.“

Die Berliner rot-rote Koalition steht 2011 vor einer Wahl. Und eines der verkündeten „Lieblingskinder“, der öffentliche Beschäftigungssektor, droht zu schrumpfen. Monat für Monat werden die vor zwei Jahren geschaffenen Stellen weniger, Maßnahmen, um sie aufzufangen, lassen sich immer schwieriger umsetzen. Die Trägerlandschaft in Berlin leidet unter dem Zusammenstreichen der 1,50-Euro-Jobs. Da sind solche Äußerungen, wie die der Marzahn-Hellersdorfer Bürgermeisterin Pohle („Linke“) wenig hilfreich, wenn sie einen Träger, der ihre Unterstützung sucht, im Stile eines Jobcenter-Pressesprechers abbürstet: „Die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesrepublik werden gemacht, um Menschen in Arbeit zu bringen, nicht um Träger zu finanzieren“ (jot w.d. 1/2011, S. 12). Welch eine Geringschätzung der Bemühungen vieler Träger, welch eine Missachtung der Leistungen der in den Maßnahmen Beschäftigten. Da hilft es auch wenig, wenn sie am 10.1. eine Presseerklärung nachschiebt, in der sie „Bestürzen und Bedauern“ verkündet, den Bürgern avisiert, dass es Einschränkungen geben wird und dass „Träger von Maßnahmen ihre Geschäftstätigkeit einstellen müssen“. Und da, wo aktives Handeln im bezirklichen Jobcenter und eine Stimme des Protests nötig gewesen wäre, stimmt sie auf kommende Jahre ein und sagt, dass es „weitere Reduzierungen der Eingliederungstitel“ geben soll.

Was kann der Einzelne tun angesichts eines solchen Umgangs mit jenen, die eine Unterstützung durch die Regierenden brauchen, die sich aber auch einbringen wollen? Letztlich war – was sich MAE (Mehraufwandsentschädigung) nannte – oft auch eine Förderung des Engagements, ja des ehrenamtlichen Engagements, denn es handelte sich um eine Aufwendung für den Mehraufwand, den der Einzelne hatte, nicht um eine reguläre Bezahlung der Arbeit. Auch dies wird nun weniger. Gespart wird bei denen, die gefördert werden sollen. Da hilft nur eins: deutlich seine Meinung sagen. Überall, beim Jobcenter, bei Bürgerversammlungen, in den Parteien. Warum schreiben Sie nicht einfach mal an Ihren Abgeordneten? Und nehmen Sie kein Blatt vor den Mund.

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