Angriffslustig

Ingo Knechtel

ging das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), in seinem jüngst verkündeten Urteil vor, mit dem er einem Verein die Gemeinnützigkeit aberkannte. Angriffslustig fand das Gericht möglicherweise, in einer mehr als fraglichen Charakterisierung, die Aktionen, die der Trägerverein des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac in den letzten Jahren an den Tag legte. Doch rechtfertigt etwa eine Attacke eine andere? In der Tat geht es um sehr ernste Dinge. Soll hier als Präzedenzfall und Warnung jemand auf elegante Weise mundtot gemacht werden? Mit sehr einfallsreichen Aktionen bietet ein gemeinnütziger Verein der Öffentlichkeit die Möglichkeit an, sich zu informieren, sich an Debatten zu beteiligen und formuliert Forderungen an die Politik. Nicht nur im Zusammenhang mit dem G-20-Gipfel 2017 in Hamburg war dieses Engagement für alle sichtbar. Doch so etwas passt offenbar manch einem lobby-gesteuerten Politiker nicht ins Konzept. Das Gericht räumte in seinem Urteil gemeinnützigen Vereinen zwar ein, politisch durchaus tätig zu sein, wenn dies durch den Vereinszweck gedeckt ist, politische Kampagnen seien aber ausgeschlossen. Bisher wurde unter dem Zweck der „politischen Bildung“ so etwas durchaus toleriert und damit auch steuerlich gefördert. Die obersten Richter haben mit ihrem Urteil also eine gesellschaftliche Debatte losgetreten, die möglicherweise zu Veränderungen in der Gesetzgebung und/oder ihrer Auslegung führen wird. Sie haben agiert auf Grund einer Revisionsklage, die auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums erfolgte. Werden hier einige Kritiker der Regierung zu unbequem, ist die Deutsche Umwelthilfe vielleicht das nächste Opfer? Oder wird es für einen Verein bald problematisch, sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einzusetzen? Übrigens gibt es auch einen Verein, dessen Zweck die Förderung der Bildung in den Bereichen Wehrtechnik, Verteidigungswirtschaft, Bündnisfähigkeit und Sicherheitspolitik ist. Er nennt sich Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. und ist als gemeinnützig anerkannt. In „Handlungsgrundsätzen“ betont er, er sei eine „neutrale und unabhängige Dialogplattform“, und seine Aktivitäten dürften nicht „der Geschäftsanbahnung, der Vertragsverhandlung, der Absprache über wirtschaftliches Handeln sowie der Beeinflussung von Entscheidungen“ dienen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Da wird beim Lesen sicher auch der Argloseste angriffslustig. Denn hierbei geht es um die Grundfesten unserer Demokratie. Diese braucht eine kritische Bürgerschaft und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich einmischen und eine Meinungsbildung aktiv begleiten. Sie lebt von Engagement und nicht von Lobbyismus. Ich meine: Die Nutzung des Gemeinnützigkeitsrechts, der Abgabenordnung, um kritischen Stimmen die Arbeit zu erschweren – das geht gar nicht! Und was denken Sie?

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