BEZIEHUNGEN – Ausschau nach Engeln

Brigitte Silna

Die Fotogalerie Friedrichshain zeigt zum Jahreswechsel 2010/2011 ein Teilwerk zweier Meisterfotografen aus Tschechien und der Slowakei. Beide stellen viele Fragen und beschreiben Menschenbilder einmal anders.

Ungewöhnliche Orte, wie Psychiatrie, Haftanstalt oder Behinderten-Umfeld, vermitteln bei Jindřich Štreit Recht und Hoffnung auf ein lebenswertes Dasein in unserer „normalen Gesellschaft“. Wie sich über die Generationen Familienbande und Partnerschaften verändern, was der Einzelne in der Gesellschaft wert ist und wie wir uns der Vergänglichkeit stellen behandelt Lùbo Stacho. Gerade zur Adventzeit gibt es eine „Engel-Flut“ der Reklamen. Doch haben „Engel“ neben dem religiösen Charakter auch die symbolische Bedeutung von Hoffnung, Schutz, Hilfe, Gemeinschaft etc. – deshalb der Ausstellungstitel.

Jindřich Štreit (geb. 1946) beschäftigte sich in seiner Dokumentarfotografie anfangs hauptsächlich mit dem Landleben. Auch auf seinen Reisen durch viele Länder erfasste er Situa-tionen, wo Menschen in und mit der Landschaft leben. Doch er kann auch anders: Themen wie „hinter Theaterkulissen“, „Drogenszene in der Stadt“, „Arbeit im Stahlwerk“ sind auch von ihm. Sehr intensiv befasste er sich mit behinderten Mitmenschen und ihrem Umfeld.

Štreit lehrte an der bekannten Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste in Prag und leitet als Professor Studenten-Projekte am Institut für Fotografie an der Schlesischen Universität in Opava.

Lùbo Stacho (geb. 1953) arbeitet seit den 1980er Jahren nicht nur auf klassische Weise mit dem Fotodokument, sondern ebenfalls konzeptuell und wurde damit zu einem außerordentlichen Vertreter der visuellen Kunst. Er wählte z.B. das Diptychon für sich als Form, das einen Kontext herstellt, der der inhaltlichen Aussage mehr Brisanz verleiht. In der Fotogalerie Friedrichshain werden aus seinem breiten Werk u.a. „Doppelbilder“ der Serien „Familie“, „Zeit“ und „Äpfel“ zu sehen sein. Stacho war und ist auch als Publizist und Theoretiker tätig. 1990 gründete er den Fachbereich Fotografie am Lehrstuhl für Visuelle Medien an der Hochschule für Bildende Kunst in Bratislava, wo er bis heute Studenten unterrichtet und mit ihnen internationale Workshops realisiert.

Beide Fotografen waren vor der Wende aktiv in der Underground-Kultur tätig und auch Repressalien ausgesetzt. Ihre Fotografien hängen heute in vielen bedeutenden Museen und Galerien der Welt.

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