Klangreise in den italienischen Barock

Hartmut Gering

Der Sommer zeigte sich an diesem Septembertag noch einmal von seiner schönsten Seite, wenn auch in Mühlenbeck – nur einen Steinwurf nördlich der Berliner Stadtgrenze gelegen – kurz vor einem farbenprächtigen Sonnenuntergang bereits ein Hauch von Herbst in der Luft lag. Gerade die richtige Zeit, um nach einer ausgiebigen Wanderung den Tag bei einem Konzert ausklingen zu lassen. Und so strömten die Menschen in die neobarocke Dorfkirche, in der das Ensemble Concerto Brandenburg für jedermann die freundlicheren, angenehmeren Jahreszeiten – den Frühling und den Sommer aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi – musikalisch präsentieren wollte.

Virtuose instrumentale Klänge – vom lieblichen Vogelgezwitscher bis zum brausenden sommerlichen Gewittersturm – erfüllten nun das Kirchenschiff. Und damit nicht genug, präsentierte das Ensemble noch zwei Flötenkonzerte von Vivaldi, darunter das bekannte „Il Gardinello“, zu Deutsch „Der Stieglitz“. Der begeisterte Applaus am Ende des Konzerts zeigt: Hier musiziert ein professionelles Ensemble, das sich die Aufführung Alter Musik – noch dazu auf historischen Instrumenten – zur Aufgabe erkoren hat.

Gegründet im Jahre 1998, hat sich die – sowohl von der instrumentalen Besetzung als auch vom Repertoire her – sehr flexible Formation längst über die Grenzen Deutschlands hinaus einen herausragenden Ruf erworben. Zahlreiche Tourneen, allein drei führten in den letzten Jahren nach Spanien, belegen dies eindrucksvoll. Von der kleinen kammermusikalischen bis zur sinfonischen Orchesterbesetzung umfasst das Repertoire Werke von der Spätrenaissance und dem Frühbarock (Praetorius, Monteverdi) bis zur Romantik (Mendelssohn-Bartholdy, Schumann); konzertante Opernaufführungen (Purcell, Mozart, Weber) inklusive.

Zur festen Kernbesetzung von etwa fünfzehn Musikern gehören langjährig bewährte Solisten wie die Flötistin Martina Dallmann – als künstlerische Leiterin von Anfang an dabei, der Konzertmeister Matthias Hummel und die Konzertmeisterin Kerstin Linder-Dewan, beide Violine, sowie der Cellist Martin Seemann.

Warum der Name Concerto Brandenburg? „Er steht für unser Anliegen, Werke Berliner und Brandenburger Komponisten wieder zu entdecken und neu zu beleben“, so Orchestermanager Michael Seyffert. Dazu zählen beispielsweise Komponisten der ab 1740 bestehenden Berliner Schule (z.B. Quantz, Schaffrath, Graun), die – größtenteils am Königlichen Hof Friedrichs des Großen tätig – in ihrer Musik noch den Traditionen des Barock folgten.

Überhaupt, die Barockmusik in ihren vielen Facetten, die sich bereits etwa 100 Jahre vor der Geburt Johann Sebastian Bachs zu entwickeln begann, hat es den Mitwirkenden von Concerto Brandenburg angetan. Herausragendes Beispiel hierfür ist die 1610 - vor genau 400 Jahren - uraufgeführte „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi, die ihm seinerzeit nicht nur den Ruf als „Schöpfer der modernen Musik“ einbrachte, sondern einen Umbruch in der Musikgeschichte einleitete.

Der Herausforderung, gemeinsam mit dem Charlottenburger Luisen-Vocalensemble an der Aufführung dieses großen Sakralwerkes mitzuwirken, stellte sich das Ensemble bravourös, auch dank seines mittlerweile reichen Erfahrungsschatzes. Schon zehn Jahre zuvor studierte Concerto Brandenburg die „Marienvesper“ ein, gemeinsam mit dem Philharmonischen Chor Berlin, einem der renommiertesten Oratorienchöre Deutschlands. „Damals, als aktiver Sänger dieses Chores, hatte ich letztendlich zu Concerto Brandenburg gefunden“, meint Michael Seyffert rückblickend. So gestaltete sich das Konzert am 2. Mai dieses Jahres in der ausverkauften Auenkirche Berlin-Wilmersdorf zu einem für alle unvergesslichen Höhepunkt im zwölfjährigen Bestehen des Ensembles.

Gefragte Partner bezüglich chorsinfonischer Werke sind außerdem der Staats- und Domchor Berlin und die Berliner Singakademie. Zu besonderen Anlässen, wie den „Konzerten am Beckenrand“ im Jugendstil-Stadtbad Steglitz oder Veranstaltungen in der Gemäldegalerie am Kulturforum und anderen ausgefallenen Orten ist Concerto Brandenburg mehrmals vom Kammerchor TONIKUM engagiert worden, der bekannt ist für seine ungewöhnlichen Musikprojekte.

Nicht zu vergessen auch die Gast-Solisten: Da gehören namhafte Cembalisten wie Armin Thalheim oder Christine Schornsheim zu den Favoriten, auch die brillante Sopranistin Doerthe Maria Sandmann.

Als weiterer Höhepunkt im Konzertleben – spannungsreich und mit großem Zuspruch – gestaltete sich die 2003 bis 2007 veranstaltete Reihe „Aufführungspraxis im Dialog“ in der Konzertkirche Neubrandenburg. Jede der neun Sinfonien Beethovens wurde an jeweils einem Abend zweimal konzertant gegenüber gestellt: Von Concerto Brandenburg unter der Leitung von Jörg-Peter Weigle auf historischen Instrumenten und von der Neubrandenburger Philharmonie mit modernem Instrumentarium.

Nicht zuletzt kann man Concerto Brandenburg auch auf CD hören, so zahlreiche Meisterwerke sowohl des preußischen als auch des katalanischen Barock und zwei Sing-Spiele. Anlässlich des 300. Geburtstages Friedrichs des Großen im Jahre 2012 ist eine CD-Produktion, überwiegend mit seinen Werken, geplant.

Wer sich schon auf das Weihnachtsfest einstimmen will: Am 11. und 18. Dezember führt Concerto Brandenburg in zwei Berliner Kirchen das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach auf, die Chorparts bestreiten die Kantoreien der Gotteshäuser. Besonders das Konzert am 18. Dezember in der Auenkirche darf mit Spannung erwartet werden, „gibt es doch schon viele Jahre eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Kantorei unter der Leitung des engagierten Kirchenmusikers Jörg Strodthoff“, so die Meinung Seyfferts.

Mit den zwei schon traditionellen Silvester-Festkonzerten in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche klingt das Jahr 2010 aus (dazu auch unser Veranstaltungstipp auf S. 4). Zum Jahresauftakt 2011 kann sich der Konzertbesucher am 23. Januar im Schloss Friedrichsfelde mit Begrüßungssekt und Kammermusik an den Hof Friedrichs des II. entführen lassen.

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