Wer sich vor ein paar Jahren an dem dicken Gorilla vorbei ins Treptopolis gewagt hatte, fand sich in einer Welt wildester Schöpfungen wieder: Drachen, verschieden Raubtiere, ein Oktopus, allesamt aus Stahlschrott zusammengeschweißt, was einen ganz besonderen, morbiden Charme erzeugte. Der Macher dahinter war allen bekannt als Steve, der sich allerdings schon früh einen Künstlernamen zugelegt hatte, als er als Sprayer seine ersten kreativen Gehversuche unternahm. Geboren und aufgewachsen war er in Schöneweide, besuchte dort die Realschule und kam natürlich, mit etwa 15, in Kontakt mit der Jugendbewegung der 1990er. Er begann, wie quasi alle um ihn herum, mit Graffitis, entwickelte sich auch recht zügig, wobei er schon früh darauf kam, dass ihm die allgemein beliebten, bombastischen Chrome-Bombings nicht wirklich lagen. Natürlich hatte seine heimliche Tätigkeit auch die bekannten Nebenwirkungen – Polizei, ein paar Wochenenden Jugendarrest, Ärger mit den Eltern, was letztlich dazu führte, dass er mit 16 in eine eigene Wohnung zog.
Natürlich entwickelte er weiter seine Graffitis, grundierte schon mal eine ganze Wand in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und gab sich die größte Mühe, etwas Schönes darauf zu zaubern. Dabei lernte er seinen ersten Mentor kennen, einen sehr philosophischen Freund mit dem Szenenamen „Idee“. Dieser hielt ihn an, besser zu werden, differenzierter, wobei Steve sich endgültig von Bombast und Chrom verabschiedete. Er begann hier bereits, mehrdimensional zu denken, kam von den Flächen zu den Objekten. Die profane Realität zwang ihn allerdings zu einer Ausbildung als Maurer, was er weniger prickelnd fand, ihn andererseits aber dazu brachte, mit Schutt und Abfällen einer Baustelle zu experimentieren und daraus 3D-Objekte zu schaffen. Es entstanden wilde Kreationen, die ihn wieder ein Stück weiter brachten. Es kamen auch erste Reliefs zustande, woraus dann seine 3D-Malerei entstand. Nach dem Abschluss kam ein Break – er entdeckte den PC und seine Möglichkeiten. Nun waren es Photoshop und Flash, die ihn in ihren Bann zogen, und er experimentierte mit elektronischer Musik.
Im Jahre 2005 renovierte er die Wohnung einer Kunstprofessorin, die ihn stark inspirierte, für einige Zeit quasi seine Mentorin wurde. 2008 entdeckte er das Tacheles, das einen enormen Spielraum für viele Künstler bot. Selbstfindung war die Devise, Kreativität das einzige Gebot. Man konnte sich austoben, austauschen, auch die Sozialisation spielte eine große Rolle, da man ja trotz aller individuellen Entwicklung geschlossen auftreten musste. Hier traf er auf Kemal, der im Erdgeschoss seine Metallwerkstatt eingerichtet hatte. Er begeisterte sich sowohl für das Material und seine Möglichkeiten als auch den Raum für kreative Exzesse. Es entstand eine Zusammenarbeit, die Jahre dauern sollte, wobei ihn andere Künstler vielleicht mehr beeindruckten, er von Kemal aber ungemein viel lernte. Insbesondere die Mischung aus Kunst und Handwerk prägte ihn hierbei sehr stark.
2011 wurde das Tacheles geschlossen, nach jahrelangen Streitigkeiten mit dem Senat. Dies galt als herber Rückschlag für die freie Kunstszene in Berlin, nach dem sich die Künstler neue Möglichkeiten suchen mussten und sich verteilten. Viele Vernetzungen gingen dabei verloren.