Ein morgendlicher Genuss für (fast) alle Sinne

Hartmut Gering

Die Stammgäste dieser noch jungen Veranstaltungsreihe im Lichtenberger Studio Bildende Kunst wissen es längst: Wenn es morgens schon im Foyer der 1922 errichteten Villa Skupin nach frisch gebrühtem Kaffee, Brötchen und anderen Köstlichkeiten duftet, erwartet sie kein gewöhnliches Frühstück. Aber auch uneingeweihte Besucher erhalten spätestens in der Galerie – Projektor und Lautsprecher sind bereits aufgebaut und eine Wand wurde von Bildern „befreit“ – eine Vorahnung, dass ihnen neben kulinarischen Leckereien auch geistige Kost geboten wird. Und der große Andrang zum jüngsten Frühstück am 14. April zeigte: Es hat sich herumgesprochen, dass man hier Kunst in allen Facetten präsentiert bekommt.

Angefangen hat alles im Januar 2009 in der Galerie M, in der zu diesem Zeitpunkt der Kulturring in Berlin e.V. im Obergeschoss unter der Leitung von Sylvia Rau ein eigenes Projekt mit Kindern und Jugendlichen betrieb. Bis dahin gab es schon zahlreiche Überlegungen, über das derzeit bestehende Angebot hinaus – dazu zählten Ausstellungen, Basteln und Kindermusiktheater – jungen Menschen in zwangloser, lockerer Atmosphäre Gelegenheit zu bieten, sich mit bildender Kunst auseinanderzusetzen. Lutz Wunder, Projektbereichsleiter Ost, konnte sich sehr gut vorstellen, hier Kunstbetrachtungen mit kulinarischem Genuss zu verbinden – und das zu einer angenehmen Zeit vormittags. So wurde die Idee des Galeriefrühstücks geboren. In der Projektleiterin Sylvia Rau fand Lutz Wunder genau die Partnerin, um seine Pläne mit Leben zu erfüllen. Regelmäßig einmal monatlich an einem Mittwoch wurden nun alle Interessenten zu einem abwechslungsreichen und gesunden Frühstück in die Galerie M eingeladen, mit Bedienung in historischer Kleidung aus dem Bestand des kulturringeigenen Kostümfundus. Dazu stimmte Musik, zeitlich passend zu der im Vortrag behandelten Stilepoche, die Besucher auf den künstlerischen Teil ein. Hier konnten die Gäste dann Werke bildender Künstler – angefangen von der Renaissance über Barock, Romantik, Jugendstil bis zur Moderne und Postmoderne – genießen. Die Bildpräsentation würzten die Mitarbeiter mit spannenden Erläuterungen.

Das Gesamtprojekt des Kulturrings in der Galerie M sollte jedoch nicht über den 30. September 2009 hinaus verlängert werden. Eines jedoch war für Initiatoren und Mitwirkende gleichermaßen klar: Das Galeriefrühstück muss es weiterhin geben! Nach vielen Überlegungen zum künftigen Veranstaltungsort avancierte schließlich das Studio Bildende Kunst mit seinem wunderbaren historischen Ambiente zu einem ebenbürtigen Nachfolger der Marzahner Galerie M.

Der Startschuss für das erste Galeriefrühstück im neuen Domizil – ganz im Zeichen Albrecht Dürers – fiel bereits am 07. Oktober 09. Nach einem reichhaltigen Frühstück, mit Werken von John Dowland, Michael Praetorius und anderen Zeitgenossen als musikalischem Background, führte Galeristin Gisela Wrede die Besucher in das Leben des großen Malers und Grafikers der Renaissance ein und präsentierte seine wichtigsten Werke. Im Anschluss waren alle zur Besichtigung der Grafikwerkstatt eingeladen – einer einzigartigen Einrichtung des Kulturrings.

Die Akteure beim Galeriefrühstück – alle wirken in Lichtenberger Projekten des Kulturrings mit – wollten auch in den folgenden Veranstaltungen immer einen ganz speziellen Künstler vorstellen. Zu Beginn des neuen Jahres übernahm Brigitte Beyer die Veranstaltungs-„Regie“ von Gisela Wrede und stellte Caravaggio, einen italienischen Maler des Frühbarock, vor. Seinem besonderen Realismus entsprangen zahlreiche recht provozierende Gemälde. Spannend auch die musikalische Garnierung des Frühstücks: Eingespielt wurden Werke von Komponisten des 16. Jahrhunderts, wie Anthony Holborne, interpretiert von der „Capella de la Torre“ auf historischen Holzblasinstrumenten.

Weitergereicht wurde der Regie-Stab im Februar an Jörg Bock, der den Romantiker Caspar David Friedrich präsentierte. Einen Monat später war mit dem berühmten Berliner Original Heinrich Zille ein eher schon modernes Zeitalter an der Reihe. Fast jeder kennt Zilles Zeichnungen aus dem Berliner „Milljöh“ und weiß, dass er im gutbürgerlichen Charlottenburg (damals bei Berlin) wohnte. Aber wer wusste schon vor dem Vortrag, dass er bis zu seinem Umzug dorthin im damaligen Lichtenberger Kiez, immer nur einen Steinwurf vom Studio Bildende Kunst entfernt, nacheinander fünf(!) Wohnungen bezogen hatte? Und dass von ihm aus dieser Zeit Werke mit wunderschönen Landschaften aus seinem Wohnumfeld erhalten sind, die sich schon wenig später der rasant wachsende Moloch Berlin einverleibte?

Mit dem Vortrag von Jörg Bock über das Leben und Wirken von Vincent van Gogh erlebte das Studio Bildende Kunst einen Besucherrekord. Da können die Beteiligten eigentlich nur optimistisch in die Zukunft blicken. Jetzt, im Wonnemonat Mai, sind alle Interessenten herzlich zur Präsenta-tion rund um den russischen Maler, Grafiker und Kunsttheoretiker Wassily Kandinsky eingeladen.

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