Berlin im Kasten

Armin Hottmann

Vor einiger Zeit erreichte mich eine E-Mail von Gamze, einer Lehrerin aus der Türkei. Mit großer Begeisterung berichtet sie, dass sie jetzt selbst eine medienpädagogische Fortbildungsveranstaltung mit ihren eigenen Kollegen durchführen werde. Die Idee dazu und das fachliche Know-how erhielt sie auf einer COMENIUS-Lehrerfortbildung des Kulturrings in Berlin, die sie besucht hatte. Für Gamze war der Kurs so anregend, dass sie sich jetzt in der Fortbildung engagiert und unsere Vision weiterverbreitet. Gamze ist damit keine Ausnahme. Immer wieder erreichen uns solche Schreiben über die Auswirkungen einer Kurswoche in Berlin. Das freut uns und motiviert, auch in Zukunft Fortbildungskurse in Berlin durchzuführen.

Schon seit 2002 veranstaltet der Kulturring in Berlin ein- bis zweimal jährlich eine einwöchige Fortbildung. Entstanden ist die Kursarbeit durch die Ergebnisse unseres ersten EU-Projekts »Fernsehnachrichten aus Europa«. Informationen dazu finden sich auf der Website www.23muskeltiere.de/europe.htm. Unsere Absicht war, die Resultate des Projekts einem breiteren Publikum zugute kommen zu lassen, um so die Nachhaltigkeit zu fördern. Bei allen Kursen steht die aktive und reflexive Medienpädagogik im Vordergrund. Dabei dreht sich alles um Videoproduktionen, die in den Unterrichtsalltag integriert werden können, um die Medienkompetenzen junger Menschen zu stärken. Die immer stärkere Flut von bewegten Bildern, die nicht nur auf Schülerinnen und Schüler einströmt, erfordert auch in der Schule einen Freiraum für die Aufarbeitung. Kurze Videoaufnahmen, Videoschnittaufgaben oder komplette Produktionen dienen deshalb als Hilfsmittel und zur Motivation, um das fachliche Wissen und die Diskussion über die Medien zu fördern.

Diese medienpädagogische Richtlinie bestimmt das Wochenprogramm sehr stark. Die Teilnehmer werden in die Grundlagen der Medienpädagogik eingeführt. Außerdem werden Ideen vorgestellt, wie theoretische Konzepte mit verschiedenen Schulfächern verknüpft werden können oder wie ein Videoprojekt ausgewertet werden kann. Im Laufe der Jahre entwickelten sich daraus zwei Grundkonzepte:

ein allgemeiner Medienkurs für alle Schulfächer und, als Ergebnis des Projekts »Speech Bubbles«, ein Kurs speziell für Fremdsprachenlehrer.

Die Teilnehmer legen dabei selbst Hand an, setzen Videokamera und Schnittcomputer ein und sollen in die Lage versetzt werden, ihr Wissen anschließend an ihre Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.

Dass solche Fortbildungen sich an aktuellen Entwicklungen orientieren, versteht sich von selbst: Im Laufe der Jahre hat sich insbesondere die Videotechnik stark verändert. Technische Hochleistungen sind inzwischen vergleichsweise preiswert erhältlich und einfach in der Handhabung. Einen immer größeren Stellenwert nimmt die Frage der Verbreitung im Internet ein – beispielsweise auf YouTube oder Vimeo. Damit einher geht stets die Frage, welche Konzepte pädagogisch wertvoll sind.

Und natürlich geht es bei jedem Kurs auch um Berlin – sicher ein Grund für das große Interesse an den Kursen. Viele Aufgaben während der Woche werden »on location« durchgeführt: Aufnahmen in einem Museum zum Thema Filmgeschichte, Interviews in den verschiedensten Sprachen im Neuköllner Kiez, im Jüdischen Museum oder an der East Side Gallery – hier vor allem auch mit Bezug zum Schulfach »Kunst«. Workshops gab es außerdem in Berliner Schulen und im Studio des Offenen Kanals Berlin. Dies alles geschieht immer in europäischer Teamarbeit.

Der Austausch über den unterschiedlichen Schulalltag, eigene medienpädagogische Erfahrungen und natürlich kulturelle Informationen machen die Woche zu einem farbigen und interessanten Erlebnis. Deshalb gibt es im Kursprogramm immer genügend Platz für den Austausch, für kurze Foto- oder Videopräsentationen aus der Heimat der Teilnehmer – und das gemeinsame Essen.

Wenn auch die Vorbereitungsphase der Fortbildung mitunter chaotisch verläuft, weil die Zusagen aus den einzelnen Ländern oft sehr verspätet eintreffen, sind wir weiterhin von diesen Fortbildungen im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen überzeugt. Eine gemeinsame, intensive Woche eröffnet viele Chancen, unsere medienpädagogischen Kenntnisse und Visionen zu vermitteln. Online ließe sich das nicht erreichen. Für den Kulturring sind deshalb die Fortbildungen eine lohnenswerte Investition.

Aus: „Comenius – Neue Schulwege in Europa“, herausgegeben im März 2010 vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz, Pädagogischer Austauschdienst.

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