Es tut weh,

Ingo Knechtel

Es tut weh,

wenn ein gut bezahlter Berater medienwirksam von sich gibt: „Der Bart muss ab. Und ein ordentliches Outfit muss her, dann haben Sie auch bald wieder einen Job!“ Das klingt wie: Wer wirklich arbeiten will, der findet auch was. Oder: Selbst schuld an Deiner Misere! Gerade startete auf RTL die neue Serie: „Endlich wieder Arbeit“, in der „professionelle Lebenshilfe“ gegeben wird. Vier Millionen Jobsuchende sagen danke. Das Ganze reiht sich ein in ähnliche voyeuristische Erbauungssendungen, wie den TV-Schuldnerberater, den Gaststättenumkrempler, die Super Nanny. Quotenorientierter Sozialkitsch wie dieser wird dem Ernst des Themas Arbeit und Arbeitssuche nicht gerecht. Es ist schwer, in einer Gesellschaft, für die Arbeitslosigkeit systemimmanent ist, glaubhaft die Wurzeln des Übels aufzudecken und wirksame Gegenstrategien zu entwickeln. Dabei sind einige Prämissen unstrittig: Das Bildungswesen muss dringend verbessert werden. Die Potenziale älterer Menschen müssen stärker genutzt werden. Vielleicht gibt es noch mehr Konsensfähiges. Anderes bleibt problematisch, weil es Profitinteressen zuwider läuft: flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, radikale Überstundenbegrenzung. Genug Arbeit für die Politiker, sagen Sie vielleicht. Doch auch jeder einzelne kann, ja muss etwas tun. Bildungsangebote und Möglichkeiten sich einzubringen gibt es z.B. beim Kulturring und bei vielen anderen Vereinen. Wer Hilfe braucht, soll sie auch bekommen. Wir verstehen und als Teil eines großen sozialen Netzwerks, in dem der Mensch zählt, seine Interessen im Vordergrund stehen und sein Handeln geschätzt und gefördert wird. Gemeinsam können wir etwas bewirken, das erbaulicher als TV-Kitsch ist: Wir können verändern. Das tut dann den Richtigen weh – uns macht es Mut, nicht nur am 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Und Arbeit gibt es genug für alle.

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