Enteignen

Ingo Knechtel

ist wohl gerade zu einem besonderen Reizwort im politischen Diskurs um dreiste Wohnungsunternehmen geworden. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das besagt Artikel 14 (2) des Grundgesetzes. Und dann ist es sicher mehr als verständlich, wenn sich Mieter wehren wollen gegen maßlose Mieterhöhungen, häufig in der Folge von Verkäufen und Sanierungen durch neue Eigentümer. Enteignungen haben die Menschen gerade im Osten schon erlebt. Nach dem Krieg gab es eine Bodenreform, Großgrundbesitz wurde an Kleinbauern, vielfach auch Umsiedler vergeben. Betriebe von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten wurden vergesellschaftlicht. Viele der damals Bedachten wurden ihr Eigentum aber wieder los, es ging in Genossenschaften – das hieß dann Zwangskollektivierung. Selbst Kleinunternehmen wurden verstaatlicht, wurden zu Volkseigenen Betrieben. Am sog. Volkseigentum hatten alle DDR-Bürger ihren Anteil, von dem sie sich dann nach 1990 in einer freien Mehrheitsentscheidung wieder verabschiedeten, denn die fiel zugunsten des Kapitalismus aus. Und der ist nun mal so organisiert, dass jede/r für die Produkte der Arbeit oder für die Leistungen bezahlt, der erzeugte Mehrwert aber vom Unternehmer einbehalten wird. Ob nun in unserer heutigen Gesellschaft Enteignungen der richtige Weg sind, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Schließlich wären heute alle Enteignungen mit Entschädigungen verbunden. Aber eins ist klar: Immobilien in kommunalem oder genossenschaftlichem Eigentum sollten den Hauptanteil an Mietobjekten ausmachen. Denn hier kann der Bürger am ehesten Einfluss darauf nehmen, dass der Eigentümer dem Gemeinwohl dient. In der Situation ist es deshalb wichtig, an die Kommune, das Land Berlin zu appellieren, um gegenzusteuern und Mietwucher sowie Sanierungen mit dem Hauptziel, dauerhaft höhere Mieten einzustreichen, zu verhindern. Sinnvoll wäre es auch, gerade Vereinen und Initiativen kommunale Objekte zu günstigen Bedingungen bereitzustellen, da sie mit diesen hohen Lasten auf Dauer nicht existieren können. Überließen wir die Dinge auf solch einem lebensnotwendigem Gebiet allein den Kräften des freien Marktes, entstünde ein Schaden für die Kultur des Zusammenlebens in diesem Land. Die elitären Gutverdiener wären vielleicht zufrieden, jedoch würden in einer immer stärker polarisierten Gesellschaft Gräben aufgerissen, die in Niemandes Interesse lägen. Deshalb ist Solidarität mit den Betroffenen so nötig, und wirksame Unterstützung durch den Rot-Rot-Grünen Senat ist mehr denn je gefragt.

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