Der Volks- und Waldpark Wuhlheide

Jörg Bock

Die Wuhlheide ist ein städtisches Waldgebiet, das zum Berliner Ortsteil Oberschöneweide gehört. Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1577, in der die Bezeichnung „wolowische Heide“ verwendet wurde. Auch in den späteren Epochen ist dieses ausgedehnte und dünn besiedelte Gebiet ökonomisch nur für die Forstwirtschaft interessant. Umso höhere Bedeutung erhielt es als Erholungsgebiet. Das gesamte Terrain – 1920 wurde eine Gesamt-größe von 610 Hektar angegeben – war geradezu geschaffen dafür. Die Einwohner der unmittelbar angrenzenden Orte Karlshorst, Köpenick und Oberschöneweide nutzten die Wuhlheide bereits um 1900 ausgiebig für Erholungszwecke. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass erste Pläne, dort einen Volkspark zu schaffen, bereits auf das Jahr 1902 zurückgehen. Doch blieb es zunächst nur bei Absichtserklärungen.

Im Jahr 1911 erwarb der Zweckverband Groß-Berlin 527 Hektar der Wuhlheide, um dort ein Grundwasserwerk errichten zu können. Mit diesem Kauf übernahm die Stadt gleichzeitig die Verpflichtung, einen Teil von 125 Hektar als Volkspark auszubauen. Das Wasserwerk wurde 1914 in Betrieb genommen, doch die Entstehung des „Volkspark Wuhlheide“ verhinderte der Ausbruch des 1. Weltkrieges. Erst nach Kriegsende nahm die Treptower Gartenamtsverwaltung die Planungen wieder auf. Im Jahr 1922 fasste die Stadtverordnetenversammlung den entsprechenden Beschluss. Für die Ausarbeitung der Pläne war der für den Stadtbezirk Treptow arbeitende Städtische Garteninspektor Ernst Harrich zuständig. Von 1924 bis zu seinem Tod 1941 Bezirksgartendirektor des Stadtbezirks Treptow, verfügte er bereits über Erfahrungen beim Bau von Volksparkanlagen. Nach seiner Ausbildung an der Königlichen Gartenlehranstalt Dahlem (1907–1909) war er unter dem damaligen Obergärtner Weiss an der Errichtung des Schillerparks beteiligt. Dabei wurde er mit der Ausführung der technischen Arbeiten betraut. Die Planungen für die Wuhlheide stellten eine besondere Herausforderung dar. Durch das schnelle Vordringen der Großstadt, die zunehmende Industrialisierung in Ober- und Niederschöneweide, die Nutzung von Waldlichtungen als Schuttabladeplatz und die Absenkung des Grundwasserspiegels durch den Wasserwerkneubau hatte die Wuhlheide schon schwere Schäden davongetragen. Für Harrich war die Errichtung eines Volksparks darum auch eine Frage des Naturschutzes. Er wollte keinen „Zierwald“, sondern einen Dauerwald, der den Erholungsansprüchen der Bevölkerung gerecht werden konnte. So konzipierte Harrich die gesamte Anlage als Volks- und Waldpark.

Die Bauarbeiten begannen 1924. Der erste Abschnitt konnte am 4. Juli 1926 der Öffentlichkeit übergeben werden. Dazu gehörten eine Sportwiese, die große Waldwiese, die Rodelbahn, der Heckengarten, der Sandspielplatz, das Planschbecken und als Sonderteil eine Blumenwiese. Die Arbeiten waren bis 1932 im Wesentlichen abgeschlossen. Ein weiterer Sandspielplatz, die Badeanstalt und eine anschließende Wiese, die im Winter als Eislaufbahn dienen sollte, gehörten zu den letzten übergebenen Objekten. Mit einer Gesamtfläche von 175 Hektar erhielt Berlin den seinerzeit größten Volkspark. Er wurde von der Bevölkerung sofort angenommen. Besucherzahlen von 5.400 Personen an einem Wochenende waren keine Seltenheit. Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges begann der Verfall des Volksparks. Wie in anderen Parkanlagen wurden auch hier Einrichtungen für den Luftschutz gebaut. Flakstellungen und ein Luftschutzbunker an der Straße „An der Wuhlheide“ wurden errichtet. Kampfhandlungen und Luftangriffe führten zu Zerstörungen in vielen Parkbereichen. Große Teile des nordwestlichen Terrains an der Treskowallee – die Große Waldwiese, die Sportwiese und der Hängemattenhain – wurden gleich nach dem Krieg von der sowjetischen Armee für ihre Zwecke in Anspruch genommen. Hier entstanden in den nächsten Jahren Kasernenanlagen. Aber auch sonstige Fremdnutzungen, die Abholzung des Waldes nach dem Krieg und mangelnde Pflege in den Folgejahren führten hier zu völlig neuen Strukturen.

Die Ost-Berliner Verwaltung hatte kein Interesse, den alten Volks- und Waldpark wieder entstehen zu lassen, sie hatte andere Pläne. Im östlichen Teil des Waldgebiets entstand ab 1951 der Pionierpark Ernst Thälmann. In dieser Zeit wurden anlässlich der 3. Weltfestspiele auch die Freilichtbühne (heute Kindl-Bühne), das Stadion, der Badesee und die sog. „Pioniereisenbahn“ errichtet. 1979 kamen der Pionierpalast mit Schwimmbad, Sporthalle und Spielplatz hinzu. Diese gesamte Anlage heißt heute Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) und ist ein beliebter Anlaufpunkt für Kinder und Jugendliche. Die bereits erwähnte Kindl-Bühne wird kommerziell genutzt, dort finden nach umfangreichen Umbauarbeiten 1995/96 zahlreiche Veranstaltungen und Konzerte statt.

Ende der Neunzigerjahre, nach dem Abzug der sowjetischen Armee und der Beseitigung der Kasernenbauten, begannen erste Planungen für eine vorsichtige Rekonstruktion des Volks- und Waldparks. Fundamente und Begrenzungen alter Anlagen wurden freigelegt und ehemalige Wiesen und Spielplätze vom Bewuchs befreit. Hinweisschilder im Bereich des ehemaligen Kinderspiel- und Turnplatzes erinnern daran, wozu dieses Areal einst genutzt wurde. An der Stelle, wo einst die Schutzhütte des Kinderspielplatzes stand, wurde der „Linden-Pavillon“ errichtet. Das ehemalige Licht- und Luftbad wurde komplett als Freibad saniert, wobei die Strukturen aus den Zwanzigerjahren erhalten blieben. Das Oval, das einst die Große Waldwiese umschloss, ist heute asphaltiert und als Skaterbahn ausgewiesen. Eingebettet in die Landschaft, dort wo früher der Sportübungsplatz war (vielen auch als „Ernst-Thälmann-Stadion“ bekannt), eröffnete im Frühjahr 2007 der Modellpark Berlin-Brandenburg. Besucher können hier bekannte Berliner und Brandenburger Sehenswürdigkeiten im Maßstab 1:25 betrachten.

Dieser Artikel konnte nur einen kleinen Einblick in die Geschichte der Wuhlheide geben. Wer mehr zum Thema erfahren möchte, den laden die „Geschichtsfreunde Karlshorst“ am 26.11. zu einem Vortrag ein: Kieztreff Karlshorst, Treskowallee 64, 10318 Berlin, 18.30 Uhr.

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