Schweizer Spuren in Kreuzberg

Astrid Lehmann

Migranten hinterlassen Spuren. Wenn es auch oft in der Alltagsdiskussion vorrangig um Probleme der Migranten und der Migration geht - was wäre unser Land ohne die Leistungen der Migranten. Ihre Einflüsse in Architektur, im kulturellen Leben, Handel, Gastronomie, Sprache, Medizin und Freizeit sind überall vorhanden und so selbstverständlich, dass wir sie kaum mehr wahrnehmen. Einiges von diesen Leistungen deutlich zu machen, hat sich ein Projekt zum Ziel gesetzt, das Spuren der Migration in Kreuzberg untersucht. Vielfältig wie die Mitarbeiter ist auch das Herangehen. Sichtbare Spuren entlang einer Buslinie werden in Kreuzberg aufgespürt und dargestellt, eine Fotodokumentation zu türkischem Leben wird vervollständigt, und auch der schon weit zurückliegende Beginn von Immigration aus der Türkei wird für eine Darstellung vorbereitet.

Dass einige Mitarbeiter sich aber mit Schweizern beschäftigten, darüber waren wir immerhin überrascht. Aber warum nicht, auch Schweizer werden doch Spuren hinterlassen. Michael Ließfeld und Steffen Adam suchten die Spuren und fanden interessante Menschen und Aktivitäten, so dass sie beschlossen, eine Dokumentation und Präsentation zu erarbeiten. Am 21. April fand dann ein „Schweizer Abend“ in der Fotogalerie Friedrichshain statt. Unter den Gästen waren Trudy Brun-Walz, Präsidentin der Schweizerischen Wohltätigkeitsgesellschaft Berlin, Monika Uwer-Zürcher, Leiterin der Redaktion Deutschland der Schweizer Revue, sowie die Beauftragte für Integration und Migration im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Regina Reinke. Bei der Begrüßung der Gäste verwies Dr. Gerhard Schewe, Vorsitzender des Kulturrings, auf geschichtliche Ereignisse, bei denen die Schweiz sich als Gastland erwies. Umso interessanter sei es zu erfahren, was Schweizer bewegt, nach Deutschland zu kommen. Auch Regina Reinke äußerte, dass bei ihrer Arbeit als Beauftragte für Integration und Migration die Schweizer kaum ins Gewicht fallen. Dies sei aber ein positiv zu bewertender Umstand, da diese Mitbürger kaum der Hilfe durch Behörden bedürfen.

In der anschließenden Powerpoint-Präsentation gab es erst ein wenig Statistik. Genau 821 Schweizer leben zur Zeit in Kreuzberg, nur 14 sind älter als 65 Jahre. Wird man als Schweizer in Kreuzberg nicht alt oder gibt es für den Lebensabend andere bevorzugte Orte? In vielen Gesprächen mit Schweizern in Kreuzberg kamen Michael Ließfeld und Steffen Adam auf interessante und amüsante Aussagen und Bewertungen. Zusammenfassend könnte man sagen: Kreuzberg ist beliebt, weil man hier unabhängig ist, viele ausländische Mitbürger vorfindet, Freiheit genießen und dabei auch relativ gut leben kann. Wer „Bänker“ werden will, sollte in der Schweiz bleiben. Viele der Befragten sind Künstler und heben hervor, dass sie sich die Inspiration in Kreuzberg holen, Geld verdienen müssten sie jedoch woanders. Die selbst formulierten Schweizer Tugenden, wie Pünktlichkeit, multikulturelle Einstellung, soziales Verhalten und gute innere Organisation, werden sicher auch positiv auf die jeweiligen Partner wirken. In der launigen Darstellung der Schweizer Spuren wird nicht darauf verzichtet, „Symbole“ der Schweiz, wie Ziegen, Alphörner und die enge Verbindung zu Bergen - hier notgedrungen reduziert auf den Kreuzberg - einzubinden. Im Vordergrund stehen jedoch Abschnitte aus Biografien und derzeitige Lebenssituationen, die einmal mehr das Leben und das Lebensgefühl einer Migrantengruppe ans Licht der Öffentlichkeit rücken. Ein Schweizer Abend besteht natürlich nicht nur aus Vortrag und Zuhören. Die „Hausband“ des Kulturrings, Sometimer & Friends, sicherte einen klingenden Einstieg, und sie schuf den Übergang zu einem typischen Buffet, an dem neben - natürlich - Käse auch eine andere Schweizer Spezialität - Capuns - angeboten wurde (das Rezept ist über die Fotogalerie zu erhalten). Ein Glas Wein, Wasser oder Saft und interessante Gespräche bei musikalischer Untermalung rundeten einen Abend ab, für den man sich gern eine Wiederholung wünscht.

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