Lidia Fischer – eine Momentaufnahme

Lutz Wunder

Sie stieß schon früh zur Künstlergruppe KLIN, die gerade in der Selbstfindung war, damals im Jahr 2002. Sie erschien in der Gruppe mit ihrem ruhigen Wesen, immer etwas zurückhaltend, aber sie wusste meist, was in einem entscheidenden Moment zu sagen und zu tun war. Das erkannten die Mitglieder der Gruppe schnell, sie wurde zu ihrer Sprecherin gewählt und ist es bis heute. Manchmal denke ich in Diskussionen oder bei Gesprächen, warum ist sie jetzt nicht präsent, tritt sie nicht in den Vordergrund, aber sie ergreift häufig dann die Initiative, wenn man es nicht mehr erwartet und reißt dann die Gruppe mit. Das ist wahrscheinlich auch das Geheimnis, das die Gruppe bis heute zusammengehalten hat, obwohl die Existenzsicherung der freiberuflichen Künstler ihnen nur ganz wenig Spielraum lässt. Ausstellungseröffnungen ohne Lidia Fischer – da fehlt etwas. Obwohl sie es eigentlich nicht mag, in der Öffentlichkeit und vor Publikum zu reden. Manchmal denke ich in solchen Situationen – schade, sie schreibt so treffsicher über das Anliegen und die Kunst der jeweils ausstellenden Künstler, ihre Gedanken würden sicher die Eröffnungen sehr bereichern.

Lidia ist intellektueller Motor in der Gruppe, präsentiert immer die Ideen für die Ausstellungsplanung, für einzelne Veranstaltungsangebote, und ihre Projekte hatten Erfolg. So das Ausstellungsprojekt „Farbe der Zeit“ (mit Katalog), es erhielt eine Förderung der Quartiersagentur Marzahn NordWest, oder das Projekt „Europa nach dem Regen – eine Homage an Max Ernst“. In den künstlerischen Arbeiten von Lidia Fischer erblickte ich mitunter ein starkes Wechselspiel von Harmonie und Kontrast der Farben und Formen. Auch kräftige Farben, die zu ihrem Erscheinungsbild kontrastieren, und auch eckige und kantige Formen, die von der Reibung und Intensität der inneren Gedankenwelt zeugen.

Geboren und aufgewachsen ist Lidia Fischer in der russischen Stadt Saratow an der Wolga. In Saratov studierte sie auch 1980-84 an der Kunstschule für Jugendliche und 1986-91 an der Hochschule für Architektur und erwarb die Ausbildung einer Architektin. Da sie schon immer gern malte, begann sie ihren beruflichen Lebensweg folgerichtig als Architektin und Malerin. Als „freie Malerin“ sah sie sich gleich, zeigte Mut, Entschlossenheit und Konsequenz, ihren Kunststil auf dem freien Markt zu verfolgen. Das Gründungsjahr der Gruppe KLIN – 2002 – war auch das Jahr, in dem sie hier in Deutschland ihre künstlerischen Arbeiten in der Öffentlichkeit zu präsentieren begann. Erste Ausstellungen waren in der Galerie Pyramide (Berlin-Hellersdorf), im Kulturzentrum Berlin-Lichtenberg und dann natürlich in der Galerie KLIN zu sehen. Im Folgejahr gab es schon Beteiligungen an Ausstellungen im Atelierhof Werenzhain (Brandenburg) und in Kirchen in Baden-Württemberg. Weitere folgten in den letzten Jahren, und im Internet liest man, wie sich Lidia Fischer in das gesellschaftliche Leben einbringt, beispielsweise in Podiumsgesprächen im Rahmen der Integrationskonferenz für Marzahn NordWest, Sie ist ein sehr angenehmer Arbeitspartner, nie fordernd, nie laut werdend, immer geduldig und aufgeschlossen Lösungswegen suchend. So habe ich sie immer vor meinen Augen.

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