Impressionen aus der Werkstatt
Sind im Studio Bildende Kunst dienstags vormittags und abends die Druckgrafikkurse unter Anleitung des Malers und Grafikers Stefan Friedemann angesagt, gibt es in den Werkstatträumen immer wieder ein emsiges Treiben. Kunstinteressierte Menschen jeden Alters widmen sich dann ganz ihrem Hobby Nummer eins, der Anfertigung von Radierungen in allen ihren vielfältigen Varianten. „Radierung“ hat ihren Ursprung im lateinischen „radere“, was soviel wie „kratzen, wegnehmen, entfernen“ bedeutet. Die Radierung – es gibt Kaltnadel- und Ätzradierungen – gehört zu den Tiefdruckverfahren, bei denen während des Druckes die Farbe aus den eingeätzten Vertiefungen der Druckplatte mit einer Tiefdruckpresse auf das Papier übertragen wird. Hier, in der Werkstatt, wenden die Grafiker hauptsächlich Ätzverfahren an, zum einen die Strichätzung, zum anderen die mehrstufige Aquatinta sowie die so genannte Aussprengtechnik.Sehr beliebt bei den Kursteilnehmern ist die Kunst der Aquatinta, eine optisch flächenhaft wirkende Technik. In mehreren Ätzstufen werden flächige Halbtöne mit unterschiedlichen Hell- und Dunkelwerten wiedergegeben.
Aber der Weg von der Bildidee bis zum fertigen Endprodukt aus der Grafikpresse ist weit, viele Arbeitsschritte mit noch weit mehr subjektiven und objektiven Einflussfaktoren markieren diesen Weg. Doch die stete Mühe lohnt sich, das ist die einhellige Meinung aller Kursteilnehmer. Denn Spaß und Freude an der ganzen Sache stehen im Vordergrund, und so erhält auch der fachlicher Laie, nicht zuletzt dank der freundlichen Auskunftsbereitschaft aller Mitstreiter, einen detaillierten Einblick in den Entstehungsprozess einer Aquatinta:
Zunächst wird die gesamte Oberfläche der metallenen Druckplatte mit einem ätzfesten Asphaltlack überzogen. (Bild 1)
Sobald der Lack trocken ist, kann die Bildidee mit einer Radiernadel auf die Platte eingeritzt werden. An den eingeritzten Stellen wird das blanke Metall wie eine Zeichnung freigelegt, aber nicht verletzt. Bei der anschließenden ersten Ätzung werden die entstandenen Linien infolge der Säureeinwirkung in den Metallgrund hinein vertieft (Strichätzung). (Bild 2)
Nach dem Entfernen des Lackes wird die Platte auf einem Rost mit feinen Staubkörnchen – in der Regel gemahlenem Kolophonium – eingestäubt. (Bild 3)
Dieses wird anschließend mit einem Spiritusbrenner erhitzt und angeschmolzen. (Bild 4)
Nun wird auf alle Flächen, die nicht bearbeitet werden sollen (diese verbleiben weiß bzw. in der später aufgepressten Hintergrundfarbe), ätzfester Asphaltlack aufgetragen.
Danach erfolgt die erste Flächenätzung der Platte im Säurebad. Die Säure dringt nur in die Räume ein, die zwischen den angeschmolzenen Partikeln verblieben sind. Dadurch entstehen Vertiefungen, die beim Ausdruck eine für die Flächenätzung typische Struktur der Grauwerte erzeugen.
Die Aquatinta entsteht nun durch weiteres stufenweises Ätzen der Flächen im Säurebad, wobei immer die Partien mit Asphaltlack abgedeckt werden müssen, die den gewünschten Grauwert erreicht haben. Je länger die Ätzung in Abhängigkeit von der Anzahl der Ätzstufen dauert, desto tiefer dringt die Säure in die Metall-Zwischenräume ein, desto rauer wird die Oberfläche der Druckplatte, desto mehr Druckfarbe kann sie aufnehmen. Damit wird der Grauton beim späteren Druck immer kräftiger. (Bild 5)
Hat man die gewünschte Anzahl Tonabstufungen erreicht, möchte aber (statt grau) einen farbig abgestuften Bildhintergrund erhalten, kann jetzt eine zweite – mit einer einstufigen Flächenätzung versehene Druckplatte – mit der gewünschten Hintergrundfarbe versehen werden. Die gleichmäßig aufgetragene Farbe wird im Anschluss so ausgewischt, dass sie nur in den Zwischenräumen der aufgeschmolzenen Kolophoniumtropfen haften bleibt.
Nach der Entfernung des Lackes kann jetzt die erste Druckplatte (Bildmotiv) mit Tiefdruckfarbe eingefärbt werden. Auch hier muss die überschüssige Farbe mit Wischgaze entfernt werden, um einen optisch sauberen Druck zu erreichen.
Für den anschließenden Bilddruck mittels Grafikpresse verwenden die Kursteilnehmer grundsätzlich angefeuchtetes, saugfähiges Papier (z.B. Kupferdruckkarton oder Büttenpapier), damit das Papier die Farbe aus den Vertiefungen der Druckplatte optimal „herausholen“ kann. Zunächst wird die Platte mit der Hintergrundfarbe und gleich anschließend die Platte mit dem eingefärbten Bildmotiv gedruckt (Bild 6). Fertig ist die Aquatinta! Benötigt man mehrere Abzüge, muss nach jedem Druckvorgang die Druckplatte neu eingefärbt werden.