Eingeätzt und in Papier gepresst ...

Hartmut Gering

Durchstreift man das Studio Bildende Kunst in allen seinen verwinkelten Ecken, bietet sich dem Besucher mehrmals pro Woche ein Bild vielfältiger künstlerischer Aktivitäten. So auch an einem Dienstagnachmittag in den Winterferien, da trafen sich hier außerplanmäßig – unter Anleitung des Druckgrafikers Stefan Friedemann – zahlreiche Schülerinnen des Herder-Gymnasiums Lichtenberg. Sie wollten ihre in der schuleigenen Grafikwerkstatt gefertigten künstlerischen Vorlagen auf metallenen Druckplatten in eine ausstellungs- und verkaufsfähige druckgrafische „Endfassung“ auf Büttenpapier bringen. Die Arbeiten sind Ergebnis ihres Projekts „Milieu im Gestern und Heute“ von Oktober bis Dezember 2008 und eine Hommage an Heinrich Zille zu seinem 150. Geburtstag im gleichen Jahr. Die besten Werke werden bis zum 20. März in einer Ausstellung im Rathaus Lichtenberg der Öffentlichkeit gezeigt.

Das Gebäude in der John-Sieg-Straße 13 ist bereits seit 1976 Heimstatt für Menschen, die in den verschiedensten künstlerischen Genres tätig sind. Neben dem Galeriebetrieb nahm von Anfang an die Grafikwerkstatt einen besonderen Stellenwert ein. Stefan Friedemanns Aktivitäten in der Werkstattgalerie – so die noch heute übliche Bezeichnung – begannen gleich nach seinem Studium der Malerei und Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee im Jahre 1988. Bereits ein Jahr später präsentierte er hier seine erste eigene Ausstellung. Seit dieser Zeit langjährig als künstlerischer Leiter in der Werkstatt tätig, erlebte er alle Höhen und Tiefen des Hauses, bis mit der Übernahme durch den Kulturring 2004 eine Stabilisierung der finanziellen Situation eintrat, die eine kontinuierliche Planung der weiteren künstlerischen Tätigkeit ermöglichte. Gab es vor der „Wende“ bis zu sechzehn Kurse bildnerischen Gestaltens – unter anderem für Keramik (mit Werkstatt im Keller), Holz- und Linolschnitt – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder aller Altersstufen, so werden heute insgesamt sechs Mal- und Zeichenkurse angeboten, darunter einer für Kinder.

Stefan Friedemann leitet zur Zeit neben einem Kurs „Aktzeichnen“ einen Seniorenkurs „Druckgrafik“ (Dienstagvormittag) und einen Kurs „Radierungen“ (Dienstagabend, für alle Altersgruppen, insbesondere aber für Jugendliche), die mit jeweils zehn Teilnehmern sehr guten Zuspruch finden. Die Kurse sollen den Teilnehmern sinnvolle Freizeitbetätigung und nicht zuletzt Spaß an der Sache vermitteln – die Atmosphäre in der Werkstatt ist freundlich und anregend, man duzt sich gegenseitig. Ein weiteres Ziel ist ihm jedoch seit seiner Anfangszeit im Studio bis heute wichtig geblieben: Die Vorbereitung angehender Kunststudenten auf ihr Studium, eine Maxime, die auch die anderen Kursleiter im „SBK“ praktizieren. Es dürfte für das hohe Niveau der Kurse sprechen, wenn viele ehemalige Teilnehmer mittlerweile mit eigenen Ausstellungen nicht nur in der alten Villa präsent gewesen, sondern auch berlin- und bundesweit zu erleben sind. So gibt es noch bis zum 20. März in der Marzahner Galerie „unterwegs“ Arbeiten von Ekkehard Bartsch zu sehen, der seit 1999 bei Friedemann im Seniorenkurs wirkt. Im Studio selbst wird etwa alle sechs Wochen eine neue Ausstellung mit überwiegend druckgrafischen Werken eröffnet.

Besonders stolz ist Friedemann auch auf die ihm zur Verfügung stehende Grafikpresse, die der Kulturring vor fünf Jahren vom Bezirksamt Lichtenberg übernahm. Auf ihr werden die künstlerischen Vorlagen, eingeätzt auf Druckplatten aus Zink oder Kupfer, in Papier gepresst, hier entsteht das fertige Kunstwerk. Es sind Radierungen in all ihren vielfältigen Facetten, auf die sich Friedemann und seine Kursteilnehmer spezialisiert haben.

Das Besondere und Spannende an diesem druckgrafischen Verfahren sind die vielen großen und kleinen Schritte auf dem Weg von der Bildidee (z.B. Bleistiftskizzen von Naturlandschaften) bis zum fertigen Produkt. Gerade die Ausstellung von Bartsch stellt diesen Prozess, der keineswegs geradlinig und reibungslos verläuft, anschaulich dar: jedes Motiv – beispielsweise eine Ansicht vom Berliner Lustgarten – wird in drei Bearbeitungsstufen vorgestellt. Das Gelingen der Werke hängt nicht nur von subjektiven Faktoren ab, sondern auch von vielen Einflussgrößen im Laufe der Herstellung, wie Plattenmaterial, Kolophonium und seine Schmelze, Zustand bzw. Beschaffenheit von Asphaltlack, Ätzflüssigkeit, Druckfarbe und -filz, Papierqualität, Druckpresse u.v.m. Groß ist dann meist die Freude, wenn aus der Presse schließlich ein rundum gelungener Abdruck zum Vorschein kommt.

Fortsetzung folgt in Ausgabe 04/2009: Von der Idee bis zur fertigen Grafik – Der Seniorenkurs Druckgrafik

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