Geachtet, anerkannt, respektiert

Hannelore Sigbjoernsen

Jutta Thum sagt von sich, alles müsste eine Ästhetik haben um sie herum, sie liebe den Perfektionismus, plant, arbeitet diszipliniert ab, würde außer Englisch gern noch andere Fremdsprachen lernen und reisen; Griechenland noch einmal sehen und durchstreifen können, Griechisch lernen. Das alles passt zusammen: Passt zu ihrem Äußeren, das ihre fast sechzig Lebensjahre keineswegs erkennen lässt, zu ihrer ruhigen Redeweise, dem gepflegten Deutsch, das sie spricht, der unbedingt freundlichen und offenen Art, in der sie gern auch Lebenserkenntnisse preis gibt, um damit zu helfen.

Sie liebt die Kunst, klassische Musik - und als gelernte Buchhändlerin - natürlich Bücher.

Heute können wir gemeinsam über die ersten Minuten ihres Vorstellungsgesprächs beim Kulturring herzlich lachen, die so gar nicht zu ihr passten. Auf dem Absatz kehrt machen wollte sie, als sie von Projektarbeit hörte. Sie bekomme Pickel, wenn sie das Wort Projekte höre, fuhr sie auf. Und es brauchte wahrlich etwas Überredungskunst, Frau Thum wieder auf den Stuhl zu bitten und doch wenigstens den Mantel zu öffnen, wenn sie ihn schon nicht ablegen wolle. Einen roten hatte sie an. Das wusste ich auch noch.

Das war 2006. Seitdem gehört Jutta Thum zum Reinickendorfer Team des Kulturrings, ist dort die ordnende Hand an der Seite der Projektkoordinatorin – anerkannt, respektiert, geachtet. Vielfach hat sie inzwischen erlebt, – und mit großem Engagement ihr Scherflein dazu beigetragen – dass Projektarbeit durchaus eine Bereicherung im eigenen Arbeitsleben sein kann und man sich der Ergebnisse einer solchen Arbeit absolut nicht zu schämen braucht. Ihr sind die Räume in der Provinzstraße ein zweites Zuhause geworden. Nicht nur, weil sie diese und den Medienpoint mit eingerichtet hat. Sie sorgt auch für die jahreszeitliche Ausgestaltung und setzt sich gern mit an den Kindertisch. Liest vor, was sorgsam ausgewählt wird, nachdem sie sich die Knirpsengruppe angesehen hat, die ihr zuhören soll. – Gelernte, nicht verlernte Buchhändlertugend.

Bevor sie in ihrer Heimatstadt Hameln, wo sie nach der Realschule auch die Buchhändlerlehre abgeschlossen hatte, ein Buch verkaufte, wusste sie genau, warum sie gerade dieses und kein anderes empfahl. Umso größer war die Enttäuschung, dass das Buchverkaufen in Berlin, wohin sie 1969 umgesiedelt war, sich nicht vom Brötchenverkaufen unterschied; selbst nicht in der damals nach „Kiepert“ zweitgrößten Buchhandlung „Elwert & Meura“ in der Schöneberger Hauptstraße. So wechselte Jutta Thum in den Wissenschaftsverlag „de Gruyter“, arbeitete für Messekataloge in Werbeagenturen, in der Redaktion „Juristische Rundschau“, war verheiratet und zog zwei Söhne groß.

Ihre beiden Enkelkinder von noch nicht einem halben Jahr sind ihre „Sahnestückchen“, sagt sie, und fährt so oft es geht zwischen Lübars, Spandau und Marzahn hin und her, um sie zu sehen. Dabei ist sie auch für die zwanzigjährige Tochter, die noch zu Hause lebt, ganz da und liebevolle, aufmerksame Mutter – alleinerziehend nach zweiter Ehe. Noch hat sich jede Investition in Kinder gelohnt, sagt Jutta Thum, und das Alter und zunehmende Falten im Gesicht schrecken sie überhaupt nicht. Stress als Plage? – Nein. Schon gar nicht, wenn man eigentlich kein „Sitztyp“ ist, aber aus einer genussvollen Ruhe Kraft zu schöpfen versteht.

Das Leben von Jutta Thum - ein „Kessel Buntes“? – wie ein Rechtsanwalt meinte, bei dem sie sich nach längerer Auszeit bewarb, weil ihr die Kindererziehung wichtiger als Geld war. Na, bitte – aber vom Feinsten und mit wertvollsten Beigaben!

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