Am 9. November jährte sich zum 70. Mal die so genannte Reichskristallnacht, in der jüdische Geschäfte zerstört und Synagogen niedergebrannt wurden. Das Kunstamt Tempelhof-Schöneberg erinnerte an dieses Ereignis mit einer Gedenkveranstaltung und mit szenischen Improvisationen – authentischen Begebenheiten jener Nacht am 9.11.1938: Das Niederbrennen der Synagoge in der Prinzregentenstraße (als Projektion der von weitem sichtbaren „rauchenden“ Synagoge auf eine Giebelwand in der Meraner Straße), mit Schauspielern nachgestellte Szenen der Verhaftung eines jüdischen Arztes aus seiner Wohnung sowie die Zerstörung des Blumenladens von Herrn Bernstein am Bayerischen Platz.
Der Titel dieser Aktionen „Vor aller Augen“ weist ebenso auf das parallele Erleben jüdischer und nichtjüdischer Schöneberger hin wie die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“, die am 25. Januar 2009 im Schöneberger Rathaus zum fünften Mal für drei Monate ihre Pforten öffnet. Dann können wieder die Familienalben mit Biografien jüdischer Mitbewohner rund um den Bayerischen Platz und ganz Schöneberg eingesehen werden. Auch in diesem Jahr wird es wieder neue Alben geben. Neben den bereits vorliegenden Biografien prominenter Schöneberger wie Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Walter Benjamin, Else Lasker-Schüler, Nelly Sachs u.v.a. wird in der neuen Ausstellung mit Billy Wilder ein weiterer Prominenter in die nunmehr 130 Alben zählende Ausstellung aufgenommen.
Billy Wilder war kein gebürtiger Berliner. Er kam 1926, 20jährig, aus Wien in das während der Weimarer Republik kulturell blühende Berlin. Er arbeitete als Eintänzer und Zeitungsreporter, bewegte sich in der regen Künstler- und Intellektuellen-Szene und war bekannt mit Egon Erwin Kisch, Erich Maria Remarque und Klabund. Sein erstes Drehbuch verkaufte er an den Direktor der Maxim-Film, den er 1927 kennen lernte, als er am Viktoria-Luise-Platz 11 zur Untermiete wohnte. 1933 emigrierte Wilder über Paris in die USA, aber die sieben Jahre in Berlin bezeichnete er später als die wichtigsten Jahre seines Lebens. Seine Mutter, seine Großmutter, der Stiefvater und andere zurückgebliebene Verwandte kamen in Auschwitz ums Leben.
Neben den vielen prominenten Juden wie Billy Wilder lebten fast 16.000 weniger bekannte im Bezirk. Weil viele von ihnen im Exil überlebt haben und Zeitzeugenschaft ablegen konnten und noch können, sind auch manche ihrer Lebensgeschichten in der Ausstellung nachzulesen. Sie bewegen gerade deshalb besonders, weil ihre Geschichten so mitten unter allen anderen gelebt wurden. Das ist, was auch die szenischen Improvisationen der Veranstaltung zur Pogromnacht zeigen konnten, unser aller Geschichte. Die Ausstellung wird am 25. Januar 2009 mit einer Gedenkveranstaltung im Rathaus Schöneberg eröffnet und dann für drei Monate zu sehen sein.