Kunst obdachlos

Aninka Ebert

„Obdachlosigkeit beginnt mit dem Verlust der Wohnung“. So einfach beschreibt ein Satz die Situation von schätzungsweise 10.000 Menschen in dieser Stadt. Ebenso hoch könnte die Zahl der Ereignisse und Verknüpfungen in ihren Lebensgeschichten sein, die sie dort hinführten. Wohnungslosigkeit wird nur von wenigen als alternative Lebensform begriffen. Die Ausstellung Kunst – Obdachlos zeigt 20 künstlerische Positionen von betroffenen und nicht betroffenen Künstlern. Zusammen entwerfen sie ein sehr komplexes Bild über das Mensch-Sein im wohnungslosen Alltag.

Ohne Wohnung zu sein heißt, ohne Schutz zu leben. Ohne den Schutz der eigenen gestalteten Rückzugswelt. Ohne den Schutz eines gesellschaftlichen Status. Wer auf der Straße lebt, ist dem Wetter ausgeliefert und muss ständig mit Übergriffen rechnen: wird unaufgefordert angesprochen, angesehen, angegriffen, vertrieben, bestenfalls geduldet. Gehört nicht dazu. Mit dieser täglich erlebten Ausgrenzung gilt es, irgendwie umzugehen. Wer auf der Straße lebt, dessen Leben spielt in der Gegenwart, in der Organisation jedes einzelnen Tages, für den Geld, Nahrung und Schlafplatz benötigt werden. Wer auf der Straße lebt, hat keine Zeit für Kunst. Für Künstlerisches bleibt neben Geschichten lediglich der eigene Körper, der Name, Schmuck oder die Kleidung. Die wohnungslosen Künstler in dieser Ausstellung sind daher zumeist nicht mehr von akuter Obdachlosigkeit betroffen, leben oder lebten jedoch in dieser Erfahrungswelt. Sie äußern sich nicht unbedingt zum Thema, wie Volkan Denhan in seinem Bild des Heimatlosen. Manche Werke sind vor dem Beginn der Wohnungslosigkeit entstanden, so wie die klassischen Schwarz-Weiß-Fotografien von Sigfrid Burvenich. Und Dani Ludwigs, die aus Weggeworfenem fantastische Figuren kreiert und in einem Bauwagen lebt, empfindet sich selbst nicht als wohnungslos. Alle Werke sind hier gleichberechtigt neben denen der professionellen, wohnhaften Künstler zu sehen, die sich allerdings mit dem Thema auseinandersetzen, in Fotografie, Malerei, Installation und Skulptur. Ohne Mitleidsästhetik oder Romantisierung, sind sie Ausdruck ihrer jeweiligen Position und des Prozesses der Annäherung. Die Auseinandersetzung mit Obdachlosigkeit ist immer auch Konfrontation mit den eigenen Wertvorstellungen und Ängsten. Kunst stellt hier Fragen, erlaubt es, hinzusehen, abgestoßen zu sein oder zu lachen. Sie macht, erkennbar als elementarer Ausdruck des Menschlichen, Begegnung möglich. Respekt gegenüber dem Leben der Anderen mitzugeben, ist das, was die Aussteller sich wünschen.

2.12. - 13.12.08, tägl. 10-18 Uhr, Stadtbad Steglitz, Bergstraße 90, 12169 Berlin, Kontakt: 76765870, www.kulturring.org/kunst-obdachlos

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