Zurückholen in unsere Gemeinschaft

Dr. Carola Gerlach

Am 13. Oktober 2008 wurde in Lobetal bei Bernau das Mahnmal für die vier homosexuellen Lobetaler, die 1943 im Dritten Reich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, während einer Werkandacht eingeweiht.

Der Gedenkstein ist weithin sichtbar, auf einer Wiese in Alt-Lobetal vor dem segnenden Christus, den der Gründer der Hoffnungstaler Anstalten, Bodelschwingh, dort errichten ließ, umgeben von den bescheidenen Bauten, in denen die Männer damals gewohnt hatten. Die Arbeiterkolonie Lobetal gab ihnen Obdach, als Homosexuelle wurden sie zwar kritisch beäugt und nachdrücklich vor der Sünde gewarnt, aber doch auch dauerhaft geduldet.

Der Gedenkstein für Hans-Heinrich Festersen, 35 Jahre, Ernst Hirning, 29 Jahre, Fritz Lemme, 33 Jahre, und Friedrich Riemann, 46 Jahre ist ganz persönlich gestaltet. Die Inschrift enthält die Schriftzüge der Männer und die Daten ihres Leidenswegs: Am 12. Oktober 1942 von der Polizei in Lobetal verhaftet, am 13. Juli 1943 vom Berliner Sondergericht nach §§ 175, 51,2 und Gesetz zur Änderung des StGB vom 4.9.1941 wegen angeblicher Minderwertigkeit zum Tode verurteilt, in der „Mordnacht von Plötzensee“ vom 7. zum 8. September 1943 gehenkt. Die Gnadengesuche der Verfolgten und des Leiters der Hoffnungstaler Anstalten, Pastor Paul Braune, waren abgelehnt worden. Die Hinrichtungen der vier homosexuellen Männer aus Lobetal sind als Euthanasie-Morde in die Geschichte eingegangen.

Weitere Männer aus den Hoffnungstaler Anstalten sind der Homosexuellenverfolgung durch die Berliner Justiz zum Opfer gefallen: Heinz Bibergeil, 32 Jahre, wurde als Jude aus der Untersuchungshaft von der Justiz an die Gestapo ausgeliefert und mit dem 44. Osttransport am 14. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert. Ihm ist in Berlin Prenzlauer Berg ein Stolperstein gewidmet. Kurt Ladwig, 46 Jahre, der aus Lobetal in die Arbeiterstadt Spandau zwangsverpflichtet worden war, wurde nach Verbüßung seiner Haftstrafe ins KZ Buchenwald deportiert und starb am 12. März 1944. Insgesamt waren 50 Männer von dem Strafverfahren des Berliner Landgerichts in den Jahren 1942-1943 betroffen. Manche konnten später wieder nach Lobetal zurückkehren und die Kriegsjahre überleben.

Die Andacht des Lobetaler Pastors Niggemann würdigte die Persönlichkeit der Ermordeten, suchte ihre Nähe. Sie bot der anwesenden evangelischen Gemeinde auch eine ausführliche Handreichung zum Thema Kirche und Homosexualität, zur gleichberechtigten Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften. „Wir wollen sie in unsere Gemeinschaft zurückholen“. Eine bewegende Aussage.

Bis dahin war ein weiter Weg. Den unmittelbaren Anstoß zur Annäherung an die homosexuellen Opfer der NS-Zeit aus der eigenen Mitte gaben wohl die Forschungen von Andreas Pretzel im Lobetaler Archiv, die er 2001 im Auftrag der Magnus Hirschfeld Gesellschaft e.V. für das „Berliner Totenbuch zur nationalsozialistischen Homosexuellenverfolgung“ begann und im Rahmen des von der AG „Rosa Winkel“ beim Kulturring in Berlin e.V. realisierten Projekts „Homosexuelle am Berliner Sondergericht“ fortführte. Aufgrund dieser Zusammenarbeit mit der Lobetaler Einrichtung wurde in die Festschrift für Pastor Paul Braune, der von 1922 bis 1954 Leiter der Hoffnungstaler Anstalten gewesen war, Pretzels Beitrag „Homosexuelle in Lobetal“ aufgenommen (2005). Die Wanderausstellung des Kulturrings „Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft. Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit“ widmet den Männern aus Lobetal eine besondere Ausstellungstafel. Die Ausstellung wurde 2006 im Deutschen Bundestag eröffnet und an verschiedenen Orten gezeigt.

Für den Gedenkstein in Lobetal engagiert haben sich besonders der Diakon i.R. Andreas Buntrock, der Archivar Jan Cantow und Pastor Volker Niggemann. Es war gut, dass wir als AG „Rosa Winkel“ bei der Einweihung dabei sein durften.

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