Johannes R. Becher – 50. Todestag

I. K.

Zahlreiche Veranstaltungen erinnern im Oktober an einen Dichter und Kulturpolitiker, der sicher viele der Widersprüche verkörperte, die die Zeit im Osten Deutschlands Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre charakterisierte. Der Rückblick auf sein Wirken in der DDR gibt aber nur ein unvollständiges Abbild Bechers. Und doch wird er vor allem an dem gemessen, was er dort geleistet hat, an seinem Anspruch und der Wirklichkeit, an Hoffnung und Versagen. Bleibend sind dabei sicher seine Verdienste als Mitbegründer und langjähriger Präsident des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands.

Als Landesverband des Nachfolgevereins Kulturbund e.V. will auch der Kulturring in Berlin e.V. in diesem Monat an Johannes R. Becher erinnern. Im Kulturbund Treptow zeigen wir am 14.10. die Doku-Fiction „Die Angst und die Macht“, ein Rückblick auf das Lebens Bechers in allen seinen Stationen und mit all seinen Widersprüchen. Dazu wird der Regisseur des 1991 gedrehten Films, Konrad Herrmann, zu Gast sein und als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Ebenfalls Originaldokumente sind am 16.10. auf einer Veranstaltung im Pankower Kavalierhaus zu hören, im Rahmen einer literarischen Reflexion zu Becher, gestaltet von der Berliner Autorin Gerda Zschiedrich. Aus diesem Anlass wird auch ein Zeitzeugen-Report zur Geschichte des Kulturbunds in Pankow vorgestellt, eine Publikation, die der Kulturring gemeinsam mit vielen engagierten Kulturbund-Mitgliedern verfasst hat und die unter dem Titel „... liberaler, lockerer, kreativer....“ der heutigen Generation 45 Jahre Kulturbundarbeit in einem Berliner Stadtbezirk näher bringt, ein Stück gelebter Geschichte, mit all ihren Höhen und Tiefen.

Und schließlich wollen wir mit dem folgenden Beitrag des Becher-Experten Hans Peter Klausnitzer auf eine Ausstellung aufmerksam machen, die ab 12.10. in der Burg Beeskow im Landkreis Oder-Spree zu sehen sein wird.

 

Hans Peter Klausnitzer:

In LICHT und FINSTERNIS

„Sie sind also der junge Bursche, der sich um die Sachen vom Hans kümmern wird?“

Das fragte mich vor 33 Jahren die greise Lilli Becher – und bis heute bin ich froh und stolz, diese wunderbare Aufgabe auf meine Art erfüllt zu haben. Einfach war’s oft nicht: „Lest Becher und brecht“, spotteten die einen, zu jeder Jubel-Feier gehört Bechers „Der Staat“, forderten die anderen. Letztlich wurde seine Hymnen-Zeile Deutschland, einig Vaterland, über Jahre einfach verschwiegen in der DDR, 1989 zu Signal und Programm ihres Untergangs. Becher hatte es wohl ganz anders gemeint; vielleicht geriet deshalb sein Werk in den Orkus und wurde so gut wie vergessen? Zwar erschien vor 10 Jahren eine viele Seiten umfassende „Mammut-Biografie“ (Der Spiegel) Bechers mit umfassendster Auflistung seines negativ auslegbaren Verhaltens und Handelns, woraus 2001 noch ein Dokumentarfilm sublimiert wurde. Doch über Bechers poetische Vermächtnisse, sein vielschichtiges literarisches Erbe und seine Bedeutung auch noch - oder wieder - für heute erfuhr die Öffentlichkeit einfach nichts mehr. Nur eine einzige Schule (von fast 3 Dutzend im Osten Deutschlands), die Oberschule in Erkner bei Berlin, hat meines Wissens seinen Namen behalten. Als einziger Dichter lässt Hans-Eckardt Wenzel auf seiner Homepage wissen, dass er einmal den Becher-Preis erhalten hat.

Vor 50 Jahren – am 11. Oktober 1958 – starb Johannes R. Becher in Berlin. Zu diesem Anlass haben das Kunstarchiv und die Burg Beeskow gemeinsam mit dem Kulturbund die Ausstellung >IN LICHT und FINSTERNIS< initiiert. Die im größten Saal der Burg ab dem 12. Oktober 2008 (Eröffnung um 17.00 Uhr mit einem Konzert von H.-E. Wenzel) für 3 Monate präsentierten 50 Grafiken und Fotografien zum Werk Bechers wurden vor zwei Jahrzehnten zuletzt gezeigt. Sie entstanden im Auftrag des Kulturbundes, finanziert vom Kulturfond der DDR. Allen interessierten, vor allem aber auch jüngeren Lesern den wichtigen Weg zu Becher zu zeigen, ganz persönlichen Zugang zu seinen besten Texten und so klugen wie kritischen Gedanken finden zu helfen, das war Ziel und sichtbares Ergebnis unserer Aufträge an fast 100 Künstler der DDR. Dank der Ausstellung können und sollen sich möglichst viele Besucher auf die Kunstwerke, die aus fast 200 Angeboten ausgewählt wurden, einlassen. Sie stehen in Korrespondenz zu Bechers Texten, die zum Nachlesen bereit gelegt sind. Aber die Bilder an den Wänden sind keinesfalls simple Illustrationen, buntfarbige Ergänzungen des Dichterwortes. Die Grafiker und Fotografen haben sich „ihren“ ganz „eigenen“ Becher-Text aus einem seinerzeit zur Verfügung gestellten reichen Angebot ausgewählt. Sie suchten nach Übereinstimmung oder waren „zum Widerspruch bereit“, wie Joachim John mir schrieb. Und wie dies ebenso Uwe Pfeifer oder Manfred Butzmann mit seinen Blättern deutlich macht. Alle Künstler hatten die Wahl, sich auf der ihnen eigenen Weise dem Erbe Bechers zu nähern – zustimmend oder kritisch, solidarisch oder hinterfragend, begeistert oder ablehnend. Aber kaum einer, der sich etwas genauer mit Bechers Texten befasste, konnte sich der Schönheit wie Hintergründigkeit seiner Aussagen, der Tragik und Schuld, die sich in den sprachlichen Bildern verbargen, den tiefen Gefühlen von Sehnsucht und Liebe entziehen. So wurde Bechers Poesie Anlass oder Impuls für’s kunstvolle Bild: die Botschaft des Wortes erhellend, ihr widersprechend, sie mit neuer Lebenswirklichkeit konfrontierend.

In der Ausstellung finden sich grafische Blätter von etablierten Künstlern wie Bernhard Heisig, Heidrun Hegewald, Wolfgang Mattheuer oder Nuria Quevedo ebenso wie Angebote von seinerzeit noch jüngeren oder auch missliebig betrachteten Künstlern wie Manfred Butzmann, Christian Brachwitz, Joachim John oder gar Carlfriedrich Claus. Die von den Ausstellungsmöglichkeiten erzwungene Beschränkung auf einen Bruchteil der vorhandenen Angebote birgt Ungerechtigkeit gegenüber manchem nicht vorgezeigten Meisterwerk. In den ausgestellten Arbeiten – und das ist neben der Ehrung des vor 50 Jahren gestorbenen Dichters Becher so beabsichtigt – wird die künstlerische Meisterschaft ihrer Schöpfer sichtbar, ihr immer noch und wieder anzuerkennendes künstlerisches Vermögen, sich mit den Angeboten eines großen und wichtigen Dichters und Poeten klug und eigen-sinnig auseinander zu setzen. So findet auch der heutige Betrachter und Leser einen unverlierbaren Schatz deutscher Poesie in Bildern wieder, als staunenswertes erstes Erlebnis oder glückliche Wieder-Entdeckung.

Ausstellung: 13.10.08 bis 11.01.09, Vernissage: 12.10., 17.00 Uhr, Öffnungszeiten: Di bis So 11.00 bis 17.00 Uhr, Burg Beeskow, Bildungs-, Kultur- und Musikschulzentrum des Landkreises Oder-Spree, Frankfurter Straße 23, 15848 Beeskow, Tel. 03366 352701

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